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4. Sitzung, Dienstag, 3. Wär; 1666.

Vorsitzende: Baronin Vogelfang.

Beginn 7 Uhr 45 Minuten Abends.

Vorsitzende: Es handelt sich heute um die Branche der Blumen­macher und Federschmücker. Ich ersuche zunächst einen der Herren Experten, uns über das Technische Auskunft zu geben. Experte Herr Eßl «über Befragen seitens der Vorsitzenden): In unserem Betriebe sind wenig oder gar keine Maschinen vorhanden. Es wird meistens Hand arbeit verrichtet. Die Arbeiterinnen, deren Zahl in der Hochsaison 1000 bis 1400, in der stillen Saison 500 bis 600 beträgt, arbeiten täglich 12 bis 14 Stunden.

Dr. Verkauf: Sprechen Sie nur über die Verhältnisse des Wiener Marktes, oder kennen Sie auch auswärtige Verhältnisse? Experte Eßl: Aus verschiedenen Beziehungen, die wir mit dem Auslande haben, kann ich mittheilen, daß im Auslande, speciell in Frankreich, im Gegensatze zu Wien auch Maschinen in Anwendung kommen. Es werden nämlich in Frankreich die Rohstoffe erzeugt, d. i. jene Stoffe, aus denen hier die Blumen und Blätterbestandtheile gemacht werden. Dieselben müssen aus Paris bezogen werden, weil sie hier nicht fabricirt werden können. Sie werden dort selbst größtenteils auf maschinellem Wege hergestellt, indem dort überhaupt Groß­betrieb herrscht. Das Ausschlagen der Blätter wird hier mit der Hand gemacht. Es ist dies die anstrengendste Arbeit und geschieht in der Weise, daß die eiserne Form auf den Stoff gesetzt und dann mit einem Holzschlägel so lange daraufgeschlagen wird, bis die Form den Stoff durchschnitten hat. Man erhält auf diese Weise durch eine Stanze gleich ein Dutzend Blätter. Bereits ausgeschlagcne Blätter und Blüthentheile kommen nur als Muster aus Paris, nicht zum Verkauf, indem Paris auf diesem Gebiete tonangebend ist. Aus Deutschland und Böhmen jedoch kommt billige Waare hieher, welche uns bedeutende Concurrenz macht. Diese Concurrenz ist umso gefährlicher geworden, als unsere Genossenschaft es durchgesetzt hat, daß für die detaillirten Bestandtheile nicht für die fertige Waare die Zölle vermindert wurden. Es lassen sich also die Kaufleute die Bestandtheile schicken, beschäftigen eine Arbeiterin, welche das ausfertigt, und machen so der feineren Kunstblumenproduction Concurrenz.

Pernerstorfer: Sie sagen, daß ein Import fertiger Waare aus Frankreich nicht vorkommt. Nun ist mir bekannt, daß gewisse Luxusartikel, gewisse Arten von Veilchen u. dergl. direct aus Paris kommen. Experte Eßl: Es mag sein, daß theilweise Kaufleute dies thun, aber nach meiner geschäftlichen Erfahrung kommt nur nachgemachte Waare vor; selbst in meiner Fabrik wird immer imitirt.

Dr. Verkauf: Wodurch erklärt sich die Concurrenzfähigkeit Deutsch­lands und Böhmens? Exp. Eßl: Bezüglich Deutschlands ist mir die Sache nicht genau bekannt, in Böhmen aber beschäftigen die Fabrikanten die Arbeiterin oft von 4 Uhr Früh bis 56 Uhr Abends und zahlen dafür fl. 2 bis 3 monatlich nebst Verpflegung. Dortige Arbeiter sagten mir, daß sie 16 bis 20 Stunden arbeiten und dafür sl. 2 bis 4 erhalten. Dadurch ist es dem böhmischen Fabrikanten möglich, jene Waare, für welche der Arbeits­lohn allein in Wien 25 kr. per Groß ausmacht, um denselben Betrag fertig hieher zu stellen. Es ist hauptsächlich bäuerliche Bevölkerung, welche, statt in das Tagewerk zu treten, in der Laubfabrik arbeitet. Die Fabrikanten haben das ganze Jahr hindurch wegen der Billigkeit einen sehr großen Absatz, beschäftigen deshalb die Leute auch das ganze Jahr.