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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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untersucht überhaupt Niemand; er fühlt keinen Puls, sondern sagt einfach: Wie fühlen Sie sich?" und schreibt dann etwas nieder.

Dr. Verkauf: Wie kommt es, daß Sie bis heute dem Verbände der Genosienschafts-Krankencaffen nicht beigetreten sind? Exp. dir. 21: Bei der Wahl war ein Herr, der uns die Stimmzettel abgenommen hat; das ist auch ein kleiner Federnschmücker, der lebt von dieser Casse.

Dr. Verkauf: Wie heißt der Arzt? Exp. Nr 21: Dr. Lampel.

Dr. Adler: Sie sagen, daß es auch Solche gibt, die Tuberkulose bekommen? Exp. Nr. 21: Die Mädchen werden eben ruinirt, und dann bricht die Tuberkulose aus. Bei unserem Geschäfte braucht keine lungenkrank zu werden.

Schluß der Sitzung 11 Uhr 25 Minuten.

5. Sitzung, Mittwoch, 4. März, Übend».

Vorsitzender: Pernerstorfer.

Beginn 7 Uhr 30 Minuten.

Experte Herr U (aus Befragen des Vorsitzenden): Wir schleifen Stahl und Metall. Wir fabriciren Stahlgegenstände, Bandagen, Schlüsselhaken, getriebenes Eisen u. s. w. In Knnffschlossereien werden Kronleuchter aus Eisen fabricirt, die geschliffen, polirt und gebürstet, also getrieben werden. Bandagen werden geschliffen, polirt und dann geglänzt. Zunächst wird der Gegenstand an einer sehr großen Scheibe mit Naxosschmirgel geschliffen und dann mit feinerem Schmirgel nachgeschliffen. Das Schleifen geschieht trocken und entwickelt sehr viel Staub. Die Scheiben werden über Kreuz gelehnt, mit Riemen überzogen, dann wird der Riemen abgedreht, der Schmirgel gerollt, und mit diesen Instrumenten wird geschliffen, indem der Arbeiter den zu schleifenden Gegenstand an das Rad anhält. In den Werkstätten wird vorwiegend mit Dampfbetrieb, nur äußerst selten mit Fußbetrieb, das ist mit Drehbänken, gearbeitet, denn mit letzteren würde zu wenig producirt werden. Wenn der Gegenstand sein geschliffen ist, so wird er mit Polir- schmirgel an derselben Scheibe polirt und hierauf mit noch feinerem Schmirgel abgezogen. Hiednrch wird der Glanz erzeugt. Hierauf kommt eine Holzfcheibe in Anwendung, die sehr leicht springt und deshalb vorher in Wasser getaucht werden muß, dann wird der Stahlgegenstand mit Wasser und Kalk geglänzt und geputzt. Bei diesen Arbeiten werden lediglich Männer beschäftigt, Frauen nur bei solchen Artikeln, welche vernickelt werden. Da ist wieder ein ganz anderer Proceß. Wo der Stahl Natur bleibt, werden keine Frauen beschäftigt. Dort, wo vernickelt, also galvanisirt wird, entfällt das Glänzen, und der Gegenstand wird den Galvaniseurinnen übergeben. Stahlschleiferinnen gibt es nicht, wohl aber Metallfchleiferinnen. Der Vorgang beim Metallschleifen ist der, daß mit einem groben Schmirgel erst die größeren Flächen abgeschliffen und dann polirt werden. Diese Vorrichtung besorgen die Männer. Hierauf wird der Gegenstand an einer Tuchscheibe von Frauen geglänzt. 25 bis 30 Tuchflecken, gewöhnlich von ehemaligen Militärmänteln, werden zusammengenäht und reprüsentiren eine solche Scheibe. Diese Scheibe wird abgedreht und Hiebei sehr viel Staub erzeugt. Hierauf wird der Gegenstand mit Kalk und Stearin ge­glänzt, was ausschließlich von Frauen besorgt wird. Hiebei entsteht wieder sehr viel Staub.