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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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ganzen Tag in der Werkstätte und sind ganz naß, weil unsere Arbeit mit Wasser gemacht wird, und müssen in Folge dessen jeden Zug vermeiden. Wir sind an den Füßen ganz naß und müssen Holzpantoffel tragen und grobe Schürzen, und weil wir nicht ein paarmal am Tage wechseln, so werden wir durch und durch naß. Die Schürzen und Kleider müssen wir selbst beistellen, durch die scharfen Präparate wird aber viel abgenützt. Abort ist nur einer. Der Dunst, der beim Vergolden entsteht, ist sehr ungesund.

Dr. Riedl: Beim Abbrennen des Messings entwickeln sich gleichfalls schädliche Dämpfe. Wird das auch im Locale gemacht? Exp. Nr. 26: Nein, im Hos, im offenen Raum.

Dr. Riedl: Auch im Winter? Und gehen da die Mädchen und Frauen hinaus? Exp. Nr. 26: Ja, das ist schon so bei unserer Arbeit.

Vorsitzender: Kommen da nicht häufig Katarrhe vor ? Expertin Nr. 26: Ja, sie kommen vor, aber die Brennerei ist nur zehn Schritte vor der Thür. Unsere Werkstätte liegt ebenerdig.

Baronin Vogelfang: Wie steht's mit der Gesundheit bei den Galvaniseurinnen? Exp. Nr. 26: Die sind selten gesund. Speciell mit den Frauen, die schwanger sind, steht es sehr schlecht, und es wird auch die Statistik nachweisen, daß bei uns die meisten Todtgeburten sind.

Baronin Vogelfang: Sind die jungen Mädchen auch bleich­süchtig ? Exp. Nr. 26: Bei uns nimmt man wenige junge Mädchen auf.

Baronin Vogelfang: Und wie ist es in anderen Betrieben? Exp. Nr. 26: Von den anderen Werkstätten kann ich es nicht sagen, weil ich wenig Einblick habe. Aber ich weiß, daß im Allgemeinen dort die jungen Mädchen ein sehr schlechtes Aussehen haben, und daß man annehmen kann, daß sie derartige Krankheitei: haben.

Dr. Riedl: 'Was hatten Sie da für eine Krankheit, nachdem Sie das erste Mal Galvaniseurin waren? Exp. Nr. 26: Da hatte ich eine Magenkrankheit. Ich war kurze Zeit in ärztlicher Behandlung und habe mich dann selbst curirt.

Bardorf: Kommt es häufig vor, daß Mädchen vom Galvauisiren weggehen? Exp. Nr. 26: Ja, sie spüren es schon in der ersten Zeit, wenn es ihnen nicht gutthut.

^ Vorsitzender: Gibt es auch solche, denen es gutthut? Expertin Nr. 26: Es hängt das sehr mit der Nahrung zusammen. Wenn sie sich nicht entsprechend nähren kann, so wird sie dadurch rninirt. Bei kräftiger Nahrung hält sie es länger aus.

Baronin V o g elf ang : Wird die Arbeit stehend oder sitzend ver­richtet? Exp. Nr. 26: Wir müssen den ganzen Tag stehen.

Exp. U: Bei dieser Arbeit werden die Nägel schartig, so daß die Hände dabei verunstaltet werden. Es kommt besonders bei den Polirerinnen vor, daß sie krumme Finger bekommen.

Exp. Nr. 26: Bei den Polirerinuen wird die Hand so verunstaltet, daß sie ein sogenanntes Ueberbein bekommen. Sie bekommen eine harte Haut, und diese bleibt ihnen als Kennzeichen. Wir Galvaniseurinnen haben alle die Nägel abgeschürft.

Dr. Riedl: Wodurch wird dieses Ueberbein hervorgerufen? Exp. Nr. 26: Der Griffel des Polirstahls liegt am Knöchel an der äußeren Fläche auf, und dadurch entsteht das Ueberbein. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich habe auch noch für meine Mutter zu sorgen. Diese wohnt extra in einem Cabinete, und ich unterstütze sie. (Ueber Befragen.) In der Bronzebranche habe ich ungefähr das Gleiche verdient, ich habe mit fl. 4 angefangen und bin bis auf fl. 7 gekommen. Ich bin wieder znr Galvanisirarbeit zurückgegangen, weil das Geschäft, in welchem ich war, pch aufgelöst hat.