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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Schiff: Gehören Sie einer Verbindung an? Exp. Nr. 26: Dem Fachverein der Bronzearbeiter.

Bardorf: Sind die Löhne im Allgemeinen bei den Bronzearbeitern so hoch, wie Sie sagten? Exp. Nr. 26: O nein, ich habe in diesem Betriebe nur deswegen so viel gehabt, weil ich die Erste war. Die Anderen haben blos fl. 3, 4, 5 bekommen.

Dr. Riedl: Wie kommt es, daß Sie, die Sie doch Galvanisenrin sind, bei einem Bronzearbeiter die erste Arbeiterin waren? Exp. Nr. 26 : Früher hat er gar kein weibliches Personale gehabt. Ich war die erste Frau, die hingekommen ist, nach und nach sind viele Andere hingekommen, und da ich sehr lange dort war, so habe ich eben unter den Arbeiterinnen die erste Stelle eingenommen.

Expertin Nr. 27 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin Galvanisenrin. Ich war früher drei Jahre als Galvanisenrin beschäftigt, dann war ich drei Jahre in einer Schleiferei und jetzt bin ich wieder seit sieben Monaten in einem Galvanisirbetriebe. Zuerst war ich im Dienste, bis ich geheiratet habe. Jetzt bin ich seit zwei Tagen in einer Blechwaarenfabrik, darüber kann ich also nichts Genaues aussagen. Jetzt bin ich durch Umfrage in das Geschäft gekommen. Früher, beim Galvanisiren, war ich im Taglohn und habe fl. 7'20 bekommen, weil ich beim Vernickeln war. Abzüge für Materialien wurden nicht gemacht. Es waren nur zwei Arbeiterinnen außer mir; nämlich ein Mädchen, das fl. 4 bekommen, und noch eine Galvanisenrin, die auch fl. 7'20 hatte. Ich habe mit dem Lohn von fl. 7'20 angefangen, weil ich schon vorher in einer Fabrik das Galvanisiren gelernt habe. Daselbst wird nur von einer Anzahl von Arbeitern und Arbeiterinnen das ganze Jahr gearbeitet. Während vier bis fünf Wochen, wenn die Arbeit mit den Gulaschbüchsen kommt, werden 60 bis 60 Mädchen ausgenommen. Die übrige Zeit hindurch werden Kaffeemaschinen und dergleichen fabricirt. Diese 50 bis 60 Mädchen suchen sich wo anders Arbeit, bis sie sie halt finden.

Dr. Riedl: Welche Arbeit hatten Sie ursprünglich in der Fabrik? Exp. Nr. 27 : Ich bin gleich zur Galvanisirung gekommen, da wurde ver­zinkt, verkupfert, vernickelt und vermessingt. Das Poliren habe ich nicht besorgt, das hat die Schleifern: gemacht. Es wird dort gewöhnlich nur kalt versilbert, mit Sudsilber, das wird nur aus nassem Wege, mit Wasser mit Kratzbürste gekratzt. (Ueber Befragen durch den Vorsitzenden.) Wir haben neun Stunden Arbeitszeit, von 8 bis 6. Frühstücks- und Jausenpause haben wir nicht. Ueberstnnden sind keine. Arbeit wird keine nach Hanse genommen. Abzüge und Strafen finden nicht statt. Ich gehe zur Mutter essen; die Anderen holen sich etwas vom Wirtbshaus. Zum Reinigen haben wir ein Lavoir, aber keine Seife und keine Handtücher. Nachtarbeit kommt nicht vor. An Sonn- und Feiertagen wird nicht gearbeitet. Kündigungsfrist ist keine. Bei der Arbeit müssen wir stehen, nur beim Pressen sitzen, aber nicht bei jeder Presse ist das so, dort, wo die Deckel eingedrückt werden, müssen sie auch stehen. Jetzt arbeite ich nicht bei der Presse, sondern ich richte nur die Gegenstände zu. Ich muß aber auch da den ganzen Tag stehen.

Vorsitzender: Wird Ihnen das nicht sehr schwer? Expertin Nr. 27: Allerdings. Aber da kann man nichts machen.

Vorsitzender: Fürchten Sie nicht für Ihr Kind? Exp. Nr. 27 : Die Arbeit ist doch nicht so schwer wie in der Schleiferei.

Vorsitzender: Wie lange arbeiten die Frauen in der Schleiferei vor der Entbindung ? Exp. Nr. 27: Bis zur letzten Stunde. Von den in der Schleiferei Beschäftigten können sehr Wenige ihre Kinder am Leben erhalten.

Vorsitzend er: Haben Sie schon früher Kinder gehabt? Expertin Nr. 27: Drei. Keines ist am Leben geblieben. Zwei sind mit drei Jahren gestorben, eines mit sieben Monaten. Darum bin ich jetzt nicht mehr in der