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wir mit ihm keck, und ein zweites Mal erlaubt er sich's nicht mehr. Bei uns ist nur eine Arbeiterin verheiratet.
Dr. Adler: Sind Arbeiterinnen auch schon lange in diesem Betriebe? — Exp. Nr. 28: Eine Arbeiterin war 27 Jahre im Hause; sie war meist in der Schleiferei. Wie sie nicht mehr schleifen hat können, ist sie zur Röhrlarbeit gekommen, und wie sie auch das nicht mehr hat machen können — sie war nämlich schon recht schwach — hat der Herr sie mit allerhand Namen belegt und ihr gesagt: „Wenn Du nicht mehr kannst, so bleib' daheim." Einmal ist sie ausgebliehen, da hat sie keine Entschädigung bekommen.
Dr. Adler: Hätte es für sie nicht eine leichtere Arbeit gegeben? — Exp. Nr. 28: O ja. Es ist ein alter Mann dort, der sogar schon sein 50jähriges Jubiläum gefeiert hat. Der wird heute noch unterstützt, weil er schon blind ist.
Dr. Adler: Der Frau, von der Sie früher gesprochen haben, sollen ja auch mehrere Unfälle passirt sein? — Exp. Nr. 28: Ja. Eine Spindel hat sie hinaufgeschlagen, das ist schon acht oder zehn Jahre her. Vor drei Jahren ist sie bei der Thür auf zwei Stufen hinnntergefallen und aus Eisenblech aufgefallen, wobei sie sich das Gesicht anseinandergeschnitten hat.
Dr. Adler: Die Frau ist erst in den Fünfzigern. Ist sie verheiratet? — Exp. Nr. 28: Nein, sie lebt im Concubinate.
Dr. Adler: Bezieht sie ein Pfründnergeld? — Exp. Nr. 28: Das weiß ich nicht, ich glaube aber nicht, daß sie wo eine Arbeit bekommt.
Dr. Adler: Hat sie etwas von der Unfallversicherung bekommen?
— Exp. Nr. 28: Nein, sie war ein paar Wochen zu Hause und hat das Krankengeld bekommen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich stehe in der Arbeiterorganisation und gehöre dem Fachvereine an. Ich halte sonst keine Zeitung als den „Metallarbeiter", ich kaufe mir auch manchmal Broschüren. Ausflüge und Spaziergänge mache ich keine. Ich besuche im Winter hie und da ein Arbeiterfest.
Expertin Nr. 29 (über Befragen seitens des Vorsitzenden): Ich bin seit 2 V 2 Jahren zu Hause und war 6',2 Jahre im Geschäfte, wohin ich als lojähriges Mädchen gekommen bin. Vom 13. bis 16. Jahre war ich im Dienste. Seit meiner Verheiratung bin ich zu Hause. Ich war beim Gas- glühlicht beschäftigt. Wie ich hingekommen bin, waren dort acht Mädchen, seither ist die Fabrik vergrößert worden. Wie ich fortgegangen bin, waren schon über 100 Mädchen. Es sind dort auch Männer beschäftigt, aber nur als Monteure. Die Saison dauert vom August bis Februar, außer derselben sind Viele entlassen worden. Wir haben keinen Dampfbetrieb gehabt. Ich war anfangs beim Nähen der Netze beschäftigt und in der letzten Zeit beim Abbrennen.
Vorsitzender: Schildern Sie uns den Betrieb. — Exp. Nr. 29: Mit einer Strickmaschine wird ein Schlauch gestrickt, der 500 bis 800 Meter lang ist. Das kommt dann in Salzsäure und Ammoniak, welche stark mit
- Wasser verdünnt sind. Darin wird es sechs- bis siebenmal gewaschen, dann ausgehängt und getrocknet, dann wird es geschnitten, und auf der einen Seite muß es mit einer leichten Wolle eingesäumt werden. Dann kommt es in eine Flüssigkeit, dann durch eine Preßmaschine und wird wieder aufgehängt auf Glasstangen. Unten ist eine Rampe mit einer Gasflamme, und die muß gedreht werden. Dann wird es mit Platindraht genäht. Nachher wird es in die Eisenstangen eingesetzt und abgebrannt. Beim Abbrennen hat das Mädchen den ganzen Tag das Gas vor dem Gesicht.
Dr. Adler: Wird es mit der Hand in die Salzsäure eingetaucht? — Exp. Nr. 29: Dazu hat man Gummihandschuhe.
Dr. Adler: Wie ist das Gefäß, wo die Säure ist? — Exp. Nr. 29:
Frauen-Enqu«te. 7