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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Es ist eine breite und tiefe Porzellanschüssel. Man kann dabei sitzen oder stehen. Diese Beschäftigung ist sehr schädlich, man bekommt Kopfschmerzen.

Dr. Adler: Wie lange mußten Sie bei der Salzsäure sitzen? Exp. Nr. 29: Je nachdem Arbeit vorhanden war.

Dr. Adler: Muß immer dieselbe dabei sitzen oder stehen? Exp. Nr. 29: Immer dieselbe, aber nicht den ganzen Tag, manchmal drei, vier Stunden, manchmal einen halben Tag.

Dr. Adler: Muß man auch etwas Heißes angreifen ?Exp. Nr. 29: Ja, aber man gewöhnt sich daran so, daß man nichts mehr spürt. Wenn der Bügel sehr heiß ist, nimmt man ein Zangerl. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Nach der Saison werden immer Einige entlassen; wie viele Männer und wie viele Frauen, das kann ich nicht sagen. Die Arbeiterinnen recrutiren sich auch aus besseren Häusern, Töchter von Geschäftsleuten und Beamten. Ich bin in das Geschäft recommandirt worden. Ich habe im Anfang nicht im Accord gearbeitet, sdndern gleich fl. 3 bekommen. Eine Lehrzeit gibt es nicht. Im zweiten Monate habe ich 50 kr. Zulage bekommen und nach zwei Monaten weitere 50 kr. Die Meisten bleiben bei einem Lohne von fl. 4 bis 5 stehen. Ich war 6 V 2 Jahre dort und habe in der letzten Zeit fl. 6 gehabt. Unter meinen Colleginnen waren aber solche, welche auch fl. 7 gehabt haben; diese haben dieselbe Arbeit gemacht. Diese Lohn­verhältnisse beziehen sich nur auf Arbeiterinnen beim Gase. Jene, die mit dem Nähen beschäftigt sind, kommen auf höchstens fl. 5.

Dr. Riedl: Macht eine Arbeiterin immer dieselbe Arbeit oder ver­schiedene? Exp. Nr. 29: Es gibt einige, welche stets dieselbe Arbeit machen, und einige, welche einmal diese, einmal jene Arbeit machen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Wir haben von 7 bis 12 Uhr und von 1 Uhr bis 6 Uhr gearbeitet, Frühstücks- und Jansenpause war eine Viertelstunde, da haben wir mit der Arbeit vollständig ausgesetzt. Die Ueberstunden betreffen in der Saison meist zwei Stunden. In zwei Wintern haben wir über 10 Uhr gearbeitet, mehrmals bis 1. 2 Uhr und zweimal sogar bis 4 Uhr. Bon 6 bis 9 Uhr haben wir pro Stunde 12 kr., von 9 Uhr ab 15 kr.

Bardorf: Ist das für Alle gleich? Exp. Nr. 29: Nur für die Arbeiterinnen beim Licht, die anderen haben durchwegs 12 kr.

Vorsitzender: Ist ein Unterschied im Lohn zwischen Männern und Frauen? Exp. Nr. 29: Die Männer haben ganz andere Arbeiten. Das sind nur Monteure, die auswärts arbeiten.

Vorsitzender: Haben Sie Gelegenheit, bei der Arbeit Material zu verderben? Exp. Nr. 29: Nein. (Ueber weiteres Befragen.) Abzüge und Strafen kommen nicht vor, in der letzten Zeit sind sie eingeführt

worden. Wer fünf Minuten zu spät gekommen ist, mußte das erste Mal

10 kr., das zweite Mal 20 kr., das dritte Mal 30 kr. zahlen; das war

uns zu viel, und die Directoren haben es wieder abgeschafft. Die Fabriks­ordnung hängt im Local. Die Bestimmung über Abzüge und Strafen ist darin enthalten. Wohin die Strafgelder gekommen sind, weiß ich nicht. Es hat sich auch Niemand darum gekümmert. Ob Jemand in der Organisation steht, weiß ich nicht, aber wenn es der Fall ist, so wird er, wenn die

Saison vorüber ist, entlassen; denn man duldet das dort nicht.

Dr. Adler: Ein solches Netz ist aber doch sehr leicht zerreißbar? .Exp. Nr. 29: Man kann es nur aus der Flamme bearbeiten. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Wir haben genügende Waschvorrichtungen gehabt. Wenn Jemand eine Wunde an den Fingern hat, so muß er mit einem Kautschukfinger arbeiten, weil sonst die Flüssigkeit schädlich einwirkt. So lange ich dort war, wurde an Sonn- und Feiertagen gearbeitet, meist bis 4 oder 5 Uhr. Das wurde besser bezahlt, wir haben dafür fl. 1 50 bis fl. 1'60 bekommen.