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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Adler: Woran? Exp. Nr. 29: Besonders haben sie Kopf­schmerzen und Ueblichkeiten bekommen.

Dr. Adler: Mußten sie fortgehen? Exp. Nr. 29 : Nein; sie sind nur hinausgegangen, um sich abzukühlen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Erkältungen kommen häufig vor. Besondere Ventilationen gab es nicht, sondern es wurden die Fenster geöffnet. Bei jedem Zimmer war ein Abort; es war ziemlich reinlich. Mit Männern hatten wir nichts zu thun. Die Mehrzahl der Arbeiterinnen war ledig. Am Sonntag bin ich in der Wohnung bei der Quartierfrau geblieben, wenn ich nicht etwa, wie in der Saison, gearbeitet habe. Vergnügungen an Sonntagen habe ich nicht mit­gemacht. Mein Mann ist Metallarbeiter. Wir haben ein Kind. Für Andere haben wir nicht zu sorgen. Meine Eltern sind in besseren Verhältnissen als ich.

Dr. Adler: Wo haben Sie damals gewohnt? Exp. Nr. 29: In der Margarethenstraße, im ersten Stock.

Dr. Adler: Wie viel Leute haben in dem Zimmer geschlafen? Exp. Nr. 24: Fünf; die Zimmerfrau, drei Töchter und ich.

Dr. Adler: Hatten Sie ein Bett allein? Exp. Nr. 29: Ja.

Dr. Adler: Und die Anderer: ? Exp. Nr. 29: Es waren drei Betten und ein Sopha.

Dr. Adler: Haben Sie immer dort gewohnt? Exp. Nr. 29: Ich habe nur einmal gewechselt. Vorher war ich in der Ziegelofengasie im zweiten Stock zu Bette. Auch dort habe ich ein eigenes Bett gehabt und habe 80 kr. bezahlt.

Schluß der Sitzung 11 Uhr 30 Minuten.

6. Sitzung. Donnerstag, 5. Wär;, Nbends.

Vorsitzender: Pros. Dr. v. Philippmnch.

Beginn 8 Uhr.

Vorsitzender: Ich werde zunächst mit der Vernehmung einer Expertin aus der Metallschleiferei beginnen.

Expertin Nr. 30 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich arbeitete in dem­selben Großbetrieb wie die Expertin Nr. 28. Ich war 29 Jahre in der Schleiferei, jetzt bin ich entlassen worden und bin seit neun Wochen zu Hause. Ich kann nämlich jetzt nicht mehr arbeiten, denn ich habe seinerzeit vier Blessuren erhalten. Ich bin 54 Jahre alt und bin seit drei Jahren krank; ich bin nämlich gefallen, habe mich am Mund verletzt und mußte genäht werden. Dieser Unfall aber hat mit dem Arbeitsbetriebe direct nichts zu thun. Später ist mir der Riemen von der Scheibe über den Kopf gefahren, in Folge dessen bin ich am Kopf sehr schwach und arbeitsunfähig. Das war vor l ?/2 Jahren.

Pernerstorf e r: Wie ist Ihre Entlassung vor sich gegangen? Exp. dir. 30: Nach 29jähriger Arbeit in derselben Fabrik bin ich jetzt ent­lassen worden, weil ich zu alt bin. Der Herr sagte mir immer:Ich werfe Dich hinaus." Das habe ich fortwährend hören müssen, und da bin ich endlich von selbst gegangen.

Pernersto rfer: Wie groß war Ihr Lohn und wie groß die Arbeitszeit? Exp. Nr. 30: Ich habe als Schleifern: fl. 3 bis 6 verdient und mußte von 7 bis 0 Uhr, mit einstündiger Mittagspause, arbeiten.