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Vorsitzender: Wir schreiten zur Vernehmung einer Expertin aus der Goldstickereibranche.
Expertin Nr. 31 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin in einem Geschäfte für Goldstickerei und Perlenschlägerei. Wir arbeiten pro Tag; es sind zehn Arbeiterinnen, von 14 Jahren auswärts. Es sind auch verheiratete Frauen darunter. Alle haben die gleiche Arbeit. Wir besorgen Kleiderstickerei, auch Goldstickerei auf Hüten und dergleichen. Das ist für die Augen sehr anstrengend. Ich bin schon vier Jahre in demselben Betriebe. Es gibt bei uns auch Arbeiterinnen außer Hause, aber die im Geschäft bediensteten Arbeiterinnen nehmen keine Arbeit nach Hause. Wir arbeiten von halb 8 Uhr bis 12 Uhr und von 1 bis 7 Uhr. Es gibt bei uns auch Lehrmädchen.
Vorsitzender: Sind Sie Gehilfin, und sind Sie freigesprochen?
— Exp. Nr. 31: Nein, ich habe schon in der Seidenstickerei eine Lehre durchgemacht.
Vorsitzender: Wie steht es mit der Arbeitsvermittlung? — Exp. Nr. 31: Der Herr annoncirt, und man meldet sich dort zur Arbeit.
Vorsitzender: Wie ist der Verdienst? — Exp. Nr. 31: 70 kr. bis st. 1 pro Tag, die älteren Arbeiterinnen haben st. 1. Wenn wenig zu thun ist, müssen die jüngeren Arbeiterinnen aussetzen und bekommen nichts gezahlt; die Saison ist von September bis März, den ganzen Sommer ist nichts zu thun. Der Lohn für die Arbeiterinnen, die zu Hause arbeiten, ist viel schlechter und beträgt oft nur st. 3 pro Woche; es wird ausgerechnet, wie lange dieselbe Arbeit im Laden gedauert hätte, und die Stunde mit 10 kr. bezahlt. Da kommt man viel schlechter weg. Ich selbst habe circa einen Monat zu Hause gearbeitet und eingesehen, daß ich nicht höher komme als auf fl. 3. Ich wollte zu Hause arbeiten, weil die Arbeit besser ist als im Laden, denn man kann freier sitzen. Es sind zehn Arbeiterinnen, und oft sitzen vier bis fünf bei einen: kleinen Rahmen, der 15 Meter lang ist. Es sind nur zwei Fenster im Zimmer, und die, welche beim Fenster keinen Platz haben, sehen sehr schlecht. Es ist gewöhnlich 14tägige Kündigung ausgemacht, aber der Herr hält sie nicht ein. Er läßt die Mädchen aussetzen, wann es nach seiner Laune ist, und nimmt sie nicht mehr, und wenn eine Arbeiterin aussetzen muß, so wird das auch als Kündigung aufgefaßt.
Vorsitzender: Haben Sie zu klagen über das sonstige Verhalten des Herrn gegen die Mädchen? — Exp. Nr. 31: Nein.
Dr. Ofner: Wie hoch stellt sich also Ihr Verdienst? — Expertin Nr. 31: Ich arbeite sechs Monate in der Saison und verdiene fl. 4 20 wöchentlich.
Dr. Ofner: Was thun Sie während der übrigen sechs Monate?
— Exp. Nr. 31: Ich bin zu Hause bei den Eltern und muß mich während dieser Zeit um andere Handarbeiten umsehen; manche Mädchen gehen in dieser Zeit aufs Land.
Vorsitzender: Aus der Hutmacherbranche ist Herr Hunnisch erschienen. Ich ersuche ihn, uns die Arbeiten, welche Frauen zu verrichten haben, zu nennen.
— Experte Herr Franz Humitsch : Ich muß, bevor ich auf die Beantwortung der Frage eingehe, der geehrten Commission bemerken, daß es uns unmöglich war, Arbeiterinnen aus allen Kategorien der Hutmacherbranche als Expertinnen heranzuziehen. Die Detailarbeit hat in keiner Industrie so stark um sich gegriffen und ist nirgends so interessant, wie in unserer Industrie. In Folge dessen sind die Verhältnisse der verschiedenen Arbeiterinnen sehr verschieden. Doch die Arbeiterinnen fürchten sich zu erscheinen; mit größter Mühe konnten wir drei Expertinnen heranziehen. In erster Lime haben wir die Staffirerinnen, welche feit Bestand des Gewerbes beschäftigt sind. Diese haben den Hut zu garniren, besorgen das Einledern, Einfassen, das Aufnähen des Bandes, das Einfüttern. Weiche Hüte werden jetzt schon mit der Maschine eingefaßt, und ein großer Theil der Staffirerinnen wird