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Wir dürfen nicht Ueberstnnden arbeiten. Andere Arbeit ist schon von 6 Uhr bis 8 Uhr gearbeitet worden.

Vorsitzender: Während welcher Zeit? Exp. Nr. 82: Von Weihnachten bis jetzt immer. Wir aber arbeiten nur von 7 Uhr bis 7 Uhr.

Vorsitzender: Welcher Art ist diese Arbeit? Exp. Nr. 82: Es werden die weichen matten Hüte von der Arbeiterin mit der Hand gerieben und dann eingestaubt. Das geschieht in einer und derselben Abtheilung. Abzüge werden sehr viel gemacht, z. B. wenn man um drei oder vier Minuten zu spät kommt, sind lO kr. Strafe. Wenn man das Gas im Gaseisen brennen läßt, sind 20 kr. Strafe und beim zweiten Mal 50 tr. Man sieht oft nicht, daß der Hut verarbeitet ist, und wenn dann beim Bügeln eine glatte Stelle vorkommt, muß ich den ganzen Hut zahlen, das sind 50 kr. Ost sind wir wegen eines ganz unscheinbaren Fehlers ersatzpflichtig. Das steht in der Arbeitsordnung. Ach unterstehe dem Werkmeister und dem Herrn.

Dr. Riedl: Steht das Herabgehen der Löhne mit der geringeren Arbeit im Zusammenhange? Exp. Nr. 82: Nein, der Lohn ist herunter­gegangen, trotzdem die Arbeit stark ging.

Tr. Verkauf: Wie viel verdienen Sie bei der Wollhut- fabrikation? Exp. Nr. 82: Wenn die Arbeit stark geht, fl. 4 bis 5. Wir werden sehr sekirt und gemartert. Früher hatten wir fl. 10 bis 18. Jetzt ist die Arbeit schwerer und die Zahlung schlechter. lUeber Befragen des Vorsitzenden.) Kündigung besteht keine; wir können gehen, wann wir wollen; es wird nichts ausgemacht. Eine gedruckte Arbeitsordnung hängt am Gange oder in der Abtheilung; ich konnte sie nicht einmal ganz lesen, weil sie zu hoch oben hängt. Arbeitsvermittlung besteht keine; man muß. beim Fabriksthore, wo oft hundert Personen stehen, anfragen. Während der Mittagspause können wir im Locale bleiben, wenn wir wollen, doch ein Essen können wir nicht wärmen, denn jetzt sind die Gasöfen eingeführt; früher wurde mit Coaks geheizt. Es ist zwar jetzt auch warm, denn das Gas verbreitet Hitze, nur auf die Füße ist es manchmal sehr kalt. Wir essen in einer Auskocherei oder etwas vom Greißler, viel natürlich nicht. Das Local ist wohl groß, doch sind sehr viel Leute beschäftigt, und daher ist die Lust sehr schlecht und ungesund. Weil die Einstauberinnen im selben Local sind, haben wir den ganzen Staub zu essen, der zusammenkommt. Das ist einmal weißer oder grauer, ein anderes Mal röthlicher Staub; am schlechtesten ist der schiefergraue. Die Hüte müssen so lange eingestaubt werden, bis sie die richtige Farbe haben, weil sie von Natur keine Farbe haben, und die ganze Abtheilung ist oft in einer Wolke, daß man kaum athmen kann. Zum Essen gehen wir wohl hinaus und holen das Essen. Zum Frühstück und zur Jause sind Mädchen bestimmt, die das Essen holen. Während der Arbeitszeit darf man nicht hinaus. Eine besondere Waschvorrichtung haben ivir nicht, doch können wir hinunterlaufen. Das Wasser im Local'ist ver­staubt. Bis auf einen Hutmacher, der die Hüte auf die Form zieht, sind wir lauter Mädchen im Locale. Zum Anziehen und Ausziehen ist kein Verschlag da.

Dr. Osner: Was essen Sie Früh, Mittags und Abends? Exp. Nr. 82: Das ist unbestimmt. Früh Kaffee und Semmel; zum Gabel­frühstück, wenn's manche Woche besser geht, um 2 kr. Brot und um 3 kr. Butter, wenn's schlecht geht, trockenes Brot; zu Mittag kauft man sich etwas um 10 kr., im strengsten Falle um 12 kr.; zur Jause auch wieder nur etwas Trockenes, wenn man gerade etwas essen will. Auf die Nacht ist's auch nicht viel, weil man spät nach Hause kommt. Fleisch esse ich nur am Sonntag. Am Abend kann man sich zu Hause nichts schaffen, weil wir bis 7 Uhr arbeiten: die Uhr geht um zehn Minuten zu spät, und bis ich nach Hause komme, ist es 8 Uhr. Was soll ich da machen? Ich koche mir halt