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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Eltern oder Geschwister haben, eine andere Beschäftigung suchen. Die besser Situirten können bleiben und finden indessen zu Hause eine Beschäftigung. Eine, die in Verpflegung ist, bleibt das ganze Jahr im Hause, und die zwei anderen besser Qualificirten müssen aussetzen. Die anderen Zwölf oder Dreizehn werden nicht entlassen, aber sie gehen selbst fort und suchen eine andere Beschäftigung. Die drei Lehrmädchen bleiben die ganze Zeit. (Ueber Befragen.) Eine Arbeitsvermittlung besteht nur für die Männer; die Mädchen erlangen die Arbeit durch die Zeitung oder sie gehen von Geschäft zu Geschäft nachfragen; sie werden auch recommandirt. Auch die Eltern der Mädchen gehen herum und suchen eine Arbeit für die Tochter. Die Aus- tretenden gehen in Privathäuser nähen oder nähen für ihre Bekannten oder suchen ein anderes Geschäft, wo das ganze Jahr zu thun ist, um nur einen Verdienst zu haben, wenn er auch sehr wenig ist. Die Lehrmädchen werden fast ausschließlich zu gewerblicher Arbeit verwendet, nur müssen sie sehr viel lausen, und zwar während der ganzen Lehrzeit. Die besser befähigten Lehrmädchen lernen etwas, aber die beqriffstütziqen können nach diesen zwei Jahren nichts.

V o rs itz end er: Ja, wenn die Mädchen herumlaufen, nützt ihnen das größte Talent nichts, weil sie doch nicht zum Arbeiten kommen. Expertin Nr. 50: Bei uns sind drei Lehrmädchen, und es muß jeden Tag eine Andere herumlaufen; so kann Jede immer zwei Tage arbeiten. Sie werden von uns und von mir speciell in der Arbeit unterwiesen; dafür bekommen wir keine Entschädigung. Bei uns wird nach Stunden gezahlt, und ich habe für die Stunde 16 kr.

Vorsitzender: Wir müssen also unterscheiden Jene, welche das ganze Jahr arbeiten, welche aussetzen, die, welche austreten und endlich die Lehrmädchen. Welchen Verdienst haben die Lehrmädchen? Exp. Nr. 50: Gar keinen. Die Lehre dauert zwei Jahre; die Mädchen müssen zu Hause die ganze Verpflegung haben und zu Hause schlafen.

Dr. Adler: Wie sind die Mädchen aus besseren Häusern, die für einen geringeren Lohn arbeiten, von den anderen anseinanderzuhalten? Exp. Nr. 50: Das richtet sich nach den Verhältnissen; man erkennt die Mädchen schon; man weiß, daß ein Mädchen von einem solchen Schundlohn nicht leben kann, und wenn Eine so einen Posten in einem Salon annimmt, so braucht sie den Lohn eben nur für's Taschengeld.

Dr. Adler: Da stellt sich also heraus, daß ein Mädchen, je wohl­habender sie ist, einen umso schlechteren Lohn bekommt. Exp. Nr. 50: Ja, wenn sie so einen Posten annimmt: zwingen kann man sie ja nicht; sie muß dann in ein kleineres Geschäft gehen, zu einem Meister, der Knndenarbeit macht, wo keine getheilte Arbeit ist; da ist die Arbeiterin ge­zwungen, ein ganzes Stück fertigzumachen, und dann kann sie auch einen besseren Lohn beanspruchen. (Ueber Befragen.) Diese bessersituirten Mädchen in den Salons müssen sich nicht sehr plagen; die Arbeitszeit ist allerdings neun bis zehn Stunden, und da thun sie sich nicht sehr weh. Bei den kleinen Meistern muß man sehr tüchtig sein und sehr viel leisten.

Dr. Schiff: Es scheint also, daß es in den großen Salons keine Lehrmädchen aus Arbeiterkreisen gibt? Exp. Nr. 50: O nein, auch da gibt es solche, die herumlaufen müssen.

Frau Schlei inger: Sie sagten, daß die Mädchen in den zwei Jahren das Schnittzeichnen u. s. w. lernen und dafür extra zahlen müssen. Nun können doch die Wenigsten zahlen, also erlernen die Mädchen in der Regel gar nicht das Gewerbe? Exp. Nr. 50: Sie erlernen es auch nicht; deswegen haben wir einen Fachverein, wo die Mädchen lernen können, aber es ist sehr schwer, sie hineinzubringen; einerseits fürchten sie den Posten zu verlieren und andererseits scheuen sie sich, unter die vielen Männer zu gehen. Die Mädchen, die nicht die Mittel haben, extra zu zahlen, haben