Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
151
Einzelbild herunterladen

151

darf aber nur zwei halten; die Eine wird im März freigesprochen, dann kommen die anderen Zwei an die Tour.

Vorsitzender: Wie ist der Verdienst der Arbeiterinnen, welche austreten? Exp. Nr. 50: Ihr Verdienst richtet sich nach der Quali- sication. Der mindeste Verdienst ist sl. 3 pro Woche, pro Stunde 5 kr. Die Arbeit ist eine getheilte; die Einen machen Aermel, andere Schöße, Taillen u. s. w. Die schlechtest Qualificirten bekommen entweder die Taille auszuarbeiten, Aermel zu übernahm oder zu staffiren, die Bestqualificirten haben die Taillen zu spannen, zu putzen, fertigzumachen oder die Schöße zu troussiren oder fertigzumachen. Die besser Qualificirten unter den Ent­lassenen haben 14 oder 12 kr. pro Stunde.

Vorsitzender: Was bekommen Sie denn wöchentlich? Exp. Nr. 50: Das richtet sich nach den Stunden.

Vorsitzender: Bevor wir den Lohn erörtern, müssen wir erst von der Arbeitszeit reden. Wann beginnt die Arbeit? Exp. Nr. 50: Im Sommer um 7 Uhr, im Winter um 8 Uhr und dauert im Sommer bis 7 Uhr, im Winter bis 8 Uhr; doch ist das nicht täglich der Fall. In der großen Saison arbeiten die Mädchen, die nach Hause schlafen gehen, bis 8 Uhr, und wenn sehr viel zu thun ist, auch bis 0 Uhr. Die Mädchen, die in Verpflegung sind, müssen oft bis 10 Uhr arbeiten und noch drüber und müssen auch schon in der Früh um 0 Uhr beginnen. Es waren früher zwei in Verpflegung, die eine ist aber wegen der allzu großen Anstrengung weggegangen.

Vorsitzender: Nehmen die Mädchen auch Arbeit nach Hause? Exp. Nr. 50: Nein, das kann man zu Hause nicht machen. Mittags ist eine StundePause; die wird auch eingehalten. Die besser situirtenMädchen essen dann Mittag in der Privatkost, die im Hause ist, und die Anderen, die sich nichts Besseres kaufen können, essen eine Suppe aus dem Gasthause. Für das Frühstück und die Jause ist keine eigentliche Pause, doch dürfen wir die Arbeit unterbrechen oder während der Arbeit essen. Sonntag wird nur in der großen Saison, wenn sehr viel zu thun ist, wie vor Ostern, vor Pfingsten, gearbeitet; gewöhnlich nur bis Mittag. Die Zahlung für die Sonntagsarbeit ist die gleiche.

Vorsitzender: Wie steigt der Lohn? Exp. Nr. 50: Die am besten Qualificirten haben 12 bis 10 kr. pro Stunde, und Ueberstnnden werden ebenso gezahlt; es sind Arbeiterinnen da mit fl. 0 , 4'80, 8'20 und fl. 10-40 pro Woche; ich habe am meisten. Zur Arbeit brauchen wir gar nichts zu kaufen. Abzüge und Strafen kommen nicht vor. Kündigungsfrist besteht bei uns keine, denn wenn die schlechte Zeit kommt, tritt man aus und nimmt sich das Buch mit.

Dr. Hainisch : Was verdient das eine Mädchen, das in Verpflegung ist und oft, wie Sie sagten, von 0 Uhr bis 10 Uhr arbeiten muß? Exp. Nr. 50: Sie ist eiue sehr gute Arbeiterin und bekommt nur fl. 8 wöchentlich; sie bekommt auch keine Ueberstunden gezahlt, und die Kost ist sehr schlecht.

Baronin Vogelfang: Was lernen die Lehrmädchen eigentlich ? Exp. Nr. 50: Sie lernen nur nähen, Kleider zusammenstellen, aber Maß­nehmen und Schnittzeichnen nicht; außer es wird extra bezahlt, dann kann sie es lernen.

Dr. Schiff: Leisten die Lehrmädchen dem Unternehmer etwas? Exp. Nr. 50: Ja, wenn sie schon einige Monate da sind und beschäftigt werden. Aber gewöhnlich leisten sie im ersten Lehrjahre sehr wenig; im zweiten Jahre können sie dem Herrn schon etwas verdienen.

Dr. Schiff: Entsprechen die von Ihnen gemachten Lohnangaben dem Durchschnittslohn? Exp. Nr. 50: Unsere Löhne sind sehr gut. Es gibt Mädchen, die mir fl. 2 wöchentlich verdienen bei gleicher Fähigkeit