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und Geschicklichkeit. In dem früheren Betriebe waren auch sehr gute Löhne; es wurde aber nur Confection gemacht. Die Mädchen waren aber schlechter gezahlt als die Männer, welche oft das Doppelte bei gleicher Arbeit be­kommen haben. Die Mädchen waren nach der Woche, die Männer nach Stücklohn bezahlt.

Dr. Schwiedland: Erzeugen Sie Specialitäten in Ihrem Be­triebe? Exp. Nr. 50: Wir arbeiten alle möglichen Kleider, auch eng­lische Arbeit wird gemacht. Die stille Zeit ist von Ostern bis Juli. In dieser Zeit gehen die Mädchen in Häuser nähen.

Dr. Schwiedland: Heute Vormittags hat eine Expertin behauptet, daß eine Verdrängung der Männerarbeit durch Frauenarbeit und eine Ver­drängung der Frauenarbeit durch schlechter gezahlte Frauenarbeit in Ihrem Gewerbe zu Tage tritt. Ist dies richtig? Exp. Nr. 50: Dies ist voll­kommen wahr; in dem früheren Geschäfte waren ursprünglich lauter Männer, ich war das einzige Mädchen; mit der Zeit sind 5, 6 Mädchen gekommen, und die Männer sind entlassen worden. Daß die besseren Frauenlöhne durch schlechter bezahlte Frauenarbeit im Allgemeinen gedrückt werden, kann ich nicht sagen, weil ich ja nur in zwei Geschäften war.

Dr. Adler: Sie haben gesagt, daß die Mädchen in der schlechten Zeit in die Häuser gehen; wenn die schlechte Zeit im Juni ist, dann sind doch die sogenannten besseren Leute auf dem Lande; das ist mir etwas un­wahrscheinlich. Exp. Nr. 50: Die Mädchen gehen eben auch aufs Land zu bekannten Damen, welche den Mädchen versprechen, aus sie zu warten, und die Mädchen warten wieder auf diese Arbeit.

Dr. Adler: Halten Sie diesen Landaufenthalt für die Regel? Exp. Nr. 50: Nein, es sind nur einzelne; die große Masse hat überhaupt nichts zu thun und muß pausiren.

Dr. Adler: Wir interessiren uns aber gerade für die Masse, haben Sie eine Vorstellung, was diese Mädchen thun, wovon sie leben? Exp. Nr. 50: Die haben eben nichts. Die Mädchen meiner Bekanntschaft müssen eben während der Saison sparen, sie vergönnen sich auch nichts und sind auch alle blutarm; wenn die Saison zu Ende ist, müssen diese Mädchen, die sehr wenig verdient haben, trachten auf irgend eine Weise etwas zu verdienen.

Vorsitzender: Sind auch auswärtige Mädchen bei Ihrem Be­triebe oder Wienerinnen? Exp. Nr. 50: Die meisten sind von Mähren oder Böhmen; aus Wien die wenigsten; sie haben gewöhnlich Geschwister oder Verwandte hier.

Vorsitzender: Macht es keinen Unterschied in der Zahlung, ob Sie Knndenarbeit oder Confectionsarbeit haben? Exp. Nr. 50: Für die Mädchen ist die Zahlung immer die gleiche; dem Herrn wird die Kunden­arbeit besser gezahlt. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) In dem früheren Betriebe waren wir zusammen elf Personen ohne zwei Lehrmädchen, acht Männer und drei Frauen. Nachdem ich ausgetreten war ich mußte wegen Familienzerwürfnissen austreten haben sich die anderen Mädchen auch verloren, nur Eine ist geblieben; die übrigen Beschäftigten sind Männer. Die Arbeitszeit war dort elf Stunden. Es ist auch in Ueberstunden gearbeitet worden; doch mir sind sie nicht bezahlt worden; es war Wochen- lohn; die Lehrmädchen haben oft bis 1 oder 2 Uhr Nachts gearbeitet und auch am Sonntag oft den ganzen Tag. Die Männer haben sich das nicht bieten lassen; sie waren Stückarbeiter und haben in der Woche je nach Ge­schicklichkeit fl. 12 bis 14, manche nur fl. 7 oder 8 verdient; ein alter Ar­beiter, der wenig gesehen hat, war sehr geschickt, aber sehr langsam und stand sich aus fl. 6 in der Woche.

Dr. Schiff: Haben die Lehrmädchen gar keine Zahlung bekommen? Exp. Nr. 50: Nein, ich habe das sehr oft gerügt, konnte aber nichts