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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Curorte in Arbeit gegangen nnd konnten deshalb die stille Saison besser übertauchen. Der Lohn der Männer beträgt sl. 1'80 bis 5. Strafen und Abzüge gibt es keine. In der schwachen Zeit wohne ich zu Haus bei meinen Eltern. Die Saison dauert von Mitte März bis höchstens Hülste Juni und im Herbst von Ende October bis Anfang December.

Baronin Vogelfang: Wissen Sie, wie viel in Ihrem Salon für ein gewöhnliches Straßenkleid gerechnet wird? Exp. Nr. 52: Wir wissen das nur so beiläufig, aber ich kann sagen, daß nach unserer Kenntniß für ein ganzes Straßenkleid nie weniger als fl. 120 gezahlt wird.

Baronin Vogelfang: Haben Sie schon einmal die ganze Nacht durchgearbeitet? Exp. Nr. 52: Ich habe einmal bis V 4 I 2 gearbeitet. Da wurde ich Hinübergeschummelt in das Vocal, wo die Taillen ausgefertigt werden, denn in der Abtheilung, wo ich bin, wird nie so lange gearbeitet. Die Aussertigerinnen müssen in der Saison regelmäßig bis tief in die Nacht arbeiten.

Dr. Hainisch: Wie steht's bei Ihnen mit dem Bügeln? Exp. Nr. 52: Wir müssen auch selbst bügeln, und zwar mit den Bügel­eisen, mit welchen Alle, auch die Männer, bügeln. Wir hatten Gasöfen und haben uns in dem Bügelraum nur dann aufgehalten, wenn wir eben ge­bügelt haben. Wenn Eine oder die Andere länger gearbeitet hat, so hat sie manchmal Nasenbluten bekommen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Die Beleuchtung ist gut; wir haben Gasbeleuchtung. Geschenke an die Vorgesetzten sind nicht üblich; nur einmal bei einer besonderen Gelegenheit, anläßlich der Geschäftsübergabe, haben wir der austretenden und ver neuen Chefin Geschenke gemacht. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Die Arbeite­rinnen in diesem Salon waren meist bei ihren Eltern. Es waren größten­teils Wienerinnen und nicht viele waren alleinstehend. Diejenigen, die keine Eltern hatten, hatten entweder bessere Bezahlung, oder sie haben mehr gespart wie wir. Sie haben Mittags oft nur eine Schale Thee getrunken. Es wird nämlich bei uns in einem kleinen Zimmer von der Bedienerin Thee gekocht. Auch hat man dort Würstel und Butterbrot bekommen. Für eine solche Mahlzeit hat man 10 kr. gezahlt. Manche haben auch nur mit einem Würstel und einem Brot vorlieb genommen. Die meisten Arbeiterinnen sind aber nach Hause gegangen. Einige wenige sind auch in ein Gasthaus gegangen. Die Arbeiterinnen sind gewöhnlich nicht in dasselbe Gasthaus gegangen wie die Männer, denn die Frauen haben gewöhnlich das nächste Gasthaus gewählt, die Männer sind weiter gegangen. Man kann aber nicht sagen, daß die Arbeiterinnen in ein schlechteres Gasthaus gegangen wären wie die Männer. Zur Jause haben die Meisten höchstens eine Schale Kaffee genommen, Andere ein Brot oder eine Semmel. Die Arbeiterinnen sind entweder zur Milchfrau oder über die Straße in ein Kaffeehaus gegangen, wo der Kaffee 6 kr. kostete. Ich habe bei meinen Eltern gegessen und habe gar nicht gejaust. Zum Nachtmahl kauften sich Viele etwas Warmes, weil sie eben zu Mittag nichts Ordentliches gegessen haben, zum Beispiel ein Gollasch oder dergleichen und Bier, was 15 bis 18 kr. kostete. Das Arbeits- local ist im ersten Stock in der inneren Stadt. Wir waren in einem Glas­gang. Derselbe war vollkommen genügend abgeschlossen, und außerdem war dortselbst ein Ofen. Für die Arbeiterinnen hatten wir drei Locale, eines war ein sehr großer Raum mit vier oder fünf Fenstern und zwei Räume mit zwei Fenstern. Ich war in einem der Räume mit zwei Fenstern. Darinnen waren 12 bis 15 Personen, oft noch mehr. Wir hatten genügend Platz, denn es waren zwei Tische, um welche wir rund herum gesessen sind. Es wurde ordentlich gereinigt, einmal im Jahre gerieben und zu den hohen Feiertagen, wenn wir länger aus dem Geschäfte weggeblieben sind, auch der Fußboden und die Fenster gewafchen. In dem Local, wo ich war, war immer ein Mann, der Zuschneider; er war uns insoferne vorgesetzt, weil er