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merkt. Sie hatten ein ganz anderes Benehmen, insbesondere gegenüber uns, den wirklichen Arbeiterinnen.

Dr. Adler: Hat sich dies nicht auch durch die Art der Behand­lung oder durch den Lohn gezeigt? Exp. Nr. 52: Es zeigte sich haupt­sächlich durch die Umgangssormen, die sie uns gegenüber hatten. Später aber hat sich das auch in anderer Beziehung gezeigt. Die besseren Mädchen haben natürlich um 90 kr. dieselbe Arbeit gemacht, welche die wirklichen Arbeiterinnen um sl. U40 machten; denn diese besseren Mädchen haben ja das Geld nur als Taschengeld benützt, während wir es znm Leben brauchten.

Dr. Adler: Aus welchen Kreisen waren denn eigentlich diese soge­nannten besseren Mädchen? Exp. Nr. 52: Ich weiß von einer, da war der Vater Oberförster bei einem Grafen oder Fürsten, und alle ihre Brüder hatten ganz besondere Stellungen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Auch die Lehrmädchen haben, nachdem sie 3 Monate umsonst gearbeitet haben. Lohn bekommen, und zwar fl. 5 monatlich. Diese Lehrmädchen waren aber sehr be- dauernswerth, denn sie haben nichts gelernt, sie durften nur die Bügeleisen hin- und Hertragen und Säcke nähen. In unserer Abtheilung war eine eigene Waarenausgeberin. In den anderen Abtheilungen haben die Lehr­mädchen das selbst besorgen müssen, in Folge dessen haben sie nichts lernen können und sind entweder fort oder sie wurden freigesprochen, und man hat ihnen nur einige wenige Anleitungen gegeben, so daß sie nach den zwei Jahren sactisch noch gar nichts gekannt haben und Waarenausgeberinnen werden mußten. Die Beschäftigung der Waarenausgeberin besteht darin, daß sie den Zwirn und die Bändel bringen, ebenso den Stoff. Dann müssen sie beim Stoff auch aufschreiben, wem sie ihn gegeben haben und wie viel.

Dr. Schiff: Woher kommen also die wirklichen Arbeiterinnen, wenn die Mädchen in dem Salon nichts lernen? Exp. Nr. 52: Gewöhnlich aus den kleineren Geschäften. «Ueber Befragen des Vorsitzenden.« Die Ar­beiterinnen kommen durch Anfragen in den Salon. Arbeiten werden keine nach Hause gegeben. Jetzt bin ich in keinem Geschäft. Ich muß aber sagen, daß ich gehört habe, daß seit der Zeit, wo ich im Geschäft war, sich die Verhältnisse insofern verschlechtert haben, als bei den Taillen auch Frauen verwendet werden, die bedeutend schlechter gezahlt werden als die Männer. Die Arbeitszeit beträgt neun Stunden, von 8 bis 12 Uhr und von halb 2 bis halb 7 Uhr. Vormittags und Nachmittags ist je eine Viertelstunde Pause. Wir haben also eigentlich nur 8^ Stunden reine Arbeitszeit. Wir haben in der Saison sehr oft Ueberstunden machen müssen, meist bis 8, ' ?9 Uhr. Wenn etwas fertigzumachen war, so mußte ein Theil der Arbeiterinnen auch über Mittag bleiben und hat dann erst um halb 2 Uhr die l'/sstün- dige Mittagspause gehabt. Das war für die, welche zu Hause essen, sehr unangenehm, weil ste das früher nicht wußten. An Sonn- und Feiertagen haben wir nicht gearbeitet. Kündigungsfrist ist keine. Eine Arbeitsordnung habe ich zufällig in dem Locale, wo die Männer sind, gesehen; es wurde uns aber nie etwas davon gesagt, daß eine Arbeitsordnung existirt. Wir mußten selbst bügeln, und zwar in einem eigenen Raume. Der Lohn wurde uns pro Tag berechnet und für Ueberstunden extra. Stückarbeit kommt gar­nicht vor. Ich hatte fl. U30 pro Tag: die sogenannten besseren Mädchen 90 kr. und fl. 1; die haben aber dasselbe geleistet wie ich. Später wurde auch an die wirklichen Arbeiterinnen nicht mehr gezahlt, wie an die besseren Mädchen. Der höchste Lohn betrug fl. 2, den hat aber nur eine Arbeiterin gehabt, weil sie schon sehr lange im Geschäfte war. Nach gewissen Zeit­räumen wird nämlich der Lohn immer aufgebessert. Für Ueberstunden hatten wir die gleiche Bezahlung wie für die sonstigen Tagesstunden. In der Saison hatten wir regelmäßig l'lz Stunden Ueberstunden. Der Lohn betrug in der besseren Zeit fl. 8 bis 9 wöchentlich, in der schlechteren fl. 4, 5, oft nur fl. 1-50 oder 2. Die Männer sind in der schlechten Zeit oft in die