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können keine Luft vertragen. Wenn aufgemacht wird, verhüllen sich alle die Köpfe mit Tüchern. Dadurch werden sie fo verweichlicht, daß sie beim geringsten Zug Zahnschmerzen und Rheumatismus bekommen. Wenn man beim Reinigen des Locales gezwungen ist, die Fenster zu öffnen, fo ziehen sich die Lehrmädchen gleich eine Erkaltung zu. Auch die Heizung war schlecht. Das Local ist etwa 25 Meter lang, 18 Meter breit und 8 Meter hoch. Um halb 8 Uhr wird zu arbeiten angefangen, und um dreiviertel 8 wird erst eingeheizt. Bis sich die Wärme verbreitet, wird es 9 Uhr, und bis dahin müssen die Mädchen frieren. In der Regel geht aber das Feuer schon um halb 11 Uhr aus, und da muß man dem Hausmeister gute Worte bieten, daß er was zulegt. Nun sind die Arbeiterinnen an den Chef wegen Verbesserung herangetreten, und ich muß constatiren, daß es in diesem Winter schon besser gewesen ist.
Vorsitzender (zur Expertin Nr. 57): Was können Sie über die Heizung aussagen? — Exp. Nr. 57 : Es sind immer nur sehr wenig Kohlen gekommen, nur ein halbes Kistel, und um 9 oder halb 10 war schon kein Feuer mehr in: Ofen.
Vor sitze u der: Waun war das ? — Exp. Nr. 57: Im Jahre 1890 und 1891. Dann mußten wir den ganzen Tag in der Kälte sitzen, und wenn wir das nicht wollten, mußten wir uns selbst Kohlen kaufen.
Vorsitzender: Müssen die Lehrmädchen einheizen? — Experte Vogels: Dazu wird die Jüngste bestimmt, die muß früher kommen.
Vorsitzender: Wie lange müssen die Lehrmädchen, die das Local zu reinigen haben, bleiben? — Exp. Vogels: Eine halbe bis dreiviertel Stunden. Daran nehmen sämmtliche Lehrmädchen theil.
Dr. Osner: Wird Mittags gelüstet, wenn die Arbeiterinnen fort sind? — Exp. Vogels: Gewöhnlich lüfte ich, manchmal vergesse ich es aber. Die Arbeiterinnen lüften nie.
Dr. Osner: Wann wird das Local gewaschen? — Exp. Vogels: Das kommt im ganzen Jahre niemals vor. Eine Fnßbodenreinigung gibt es nicht. So lange ich dort bin, ist der Fußboden nicht gescheuert worden. Die Mädchen spritzen aus, und dann fegen sie. Gewöhnlich wird sehr wenig gesprengt, und sie werfen den Schmutz einen halben Meter hoch, daß man den Staub zwischen den Zähnen spürt.
Dr. Osner: Werden auch die Wände nicht gereinigt? — Experte Vogels: Nein. Zu Weihnachten werden die Tische und Stockerln gewaschen.
Dr. Osner: Können sich die Mädchen waschen, wenn sie fortgehen?
— Exp. Vogels: Ja. Es werden ihnen auch Handtücher gegeben, für sämmtliche Arbeiterinnen und Lehrmädchen ein Handtuch.
Dr. Osner: Sind die Aborte für Mädchen und Männer gemeinsam?
— Exp. Vogels: Die sind getheilt; zwei für die Mädchen und einer für die Männer. Sie sind alle sehr unrein. Daran sind aber die Leute selbst schuld. Es ist auch keine Wasserleitung in den Aborten, wie dies bei uns in Deutschland Vorschrift ist. Wenn es dem Hausmeister nicht beliebt, Wasser in den Behälter hineinzugießen, so entwickeln sich Gerüche, die sich durch den Hof in die Werkstätte fortpflanzen. Auch der Canal steht mit der Werkstätte in Verbindung.
Dr. Osner: Haben Sie das auch in anderen Fabriken bemerkt? — Exp. Vogels: Jch'habe in Wien noch keine andere Fabrik gesehen.
Dr. Schmied land: Ist es richtig, daß die Hausindustrie in der Posamenterie so an Ausdehnung gewinnt, daß der Fabriksbetrieb unter Umständen ganz aufhört? Ju Berlin und Osnabrück soll das der Fall gewesen sein.
— Exp. Vogels: Mir ist davon nichts bekannt. Die Möglichkeit wäre wohl vorhanden. Es wird aber nie dazu kommen, weil.immer ein langer Raum nothwendig ist, wo die Schnnrdreher beschäftigt sind. Die anderen Arbeiten könnten alle außerHanse verrichtetwerden. Soweitist es aber auch in Berlin nicht.
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