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Wien; er entließ auch Heimarbeiterinnen. Für jene Firma arbeiten auch zwei Zwischenmeisterinnen in Wien; sie bekommen Arbeiten von dem Chef und geben sie wieder außer Haus. Ich kann aber im Allgemeinen nichts Genaueres über diese Zwischenmeisterinnen sagen, weil ich schon drei Jahre von jener Firma weg bin.

Baronin Vogelsang: Als Sie zu jener Firma kamen, hatten Sie da bereits die nöthige Lehrzeit absolvirt? Warum mußten Sie dort noch ein Jahr nachlerren, bevor Sie freigesprochen wurden? Exp. Nr. 60: Ich hätte am 11. März freigesprochen werden sollen. Meine der Firma als Zwischenmeisterin dienende Lehrfrau reiste aber im Juni vorher weg. Da kam ich dann zu der Firma, und wiewohl bis zur Zeit meiner Freisprechung nur acht Monate fehlten, mußte ich doch ein ganzes Jahr nachlernen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Als ich von der Frau wegkam, hatte ich schon sehr viel gelernt. Bei der Firma lernte ich noch Einiges nach. Hauptsächlich mußte ich Gänge verrichten und Material zusammenstellen. Das letztere ist eine anstrengende Arbeit, besonders für die Augen, weil man die Farbenschattirungen wählen muß. Als ich bei der Firma frei wurde, bekam ich zuerst sl. 4, und der Chef versprach mir, wenn ich brav und fleißig sei, fl. 5. Er gab mir aber durch zwei Jahre nur 50 kr. Zulage, damit Du Dir ein Bier kaufen kannst," wie er sagte.

Vorsitzender: War es bei jener Firma auch Sitte, Alle mit Du" anzusprechen? Exp. Nr. 60: Ja, Alle, auch Verheiratete.

Vorsitzender: Wer war Ihr Vorgesetzter? Exp. Nr. 60: Dort hatten wir drei Herren und drei Frauen.

Exp. Nr. 60 (über Befragen des Vorsitzenden): Gegenwärtig bin ich bei einer Firma der Möbelbranche und bekomme fl. 6. Es wird dort fehr häufig Arbeit nach Hause genommen, aber die Arbeiterinnen werden nicht dazu gezwungen, sondern sie nehmen sie mit, weil sie wegen der schlechten Ent­lohnung im Geschäft selbst nicht genug verdienen. Es wird nach Meter und nach hundert Stück entlohnt. Die Bezahlung für die Arbeit zu Hause ist Heuer durch das Wirken derOrganisationinsofern eine bessere geworden, als, wenn eine Arbeiterin zu Hause eine Stunde arbeitet, ihr für die Stunde 2 bis 3 kr. zugebeffert werden. Früher war das nicht der Fall. Früher wurden auch noch Abzüge gemacht. Der Herr sagte:Für das Hundert bekommst Du nur 14 kr.,"für das Hundert bekommst Du nur 10 kr." Es wurde eben am Schluß immer etwas abgerissen, wenn Eine viel verdient hatte. Wenn Eine z. B. zu Hause sehr viel gearbeitet und sich dabei sl. 3 bis 4 verdient hatte, hieß es:Für diesen Meter oder für dieses Hundert wurde zu viel bezahlt", und man zog ihr einen Kreuzer per Meter ab. Wenn sie also fl. 3 bis 4 verdient hatte, sind ihr oft 40, 50 kr. abgezogen worden. Beider Möbelbranche ist die Sommers- zeit sehr schlecht, und im Winter, wenn Arbeit ist, streiten die Arbeiterinnen mit einander; jede will die meiste Arbeit nach Hause nehmen; so drücken sie sich gegenseitig die Preise herunter, und der Herr hat den Vortheil davon. Wenn eine Arbeiterin keine Arbeit nach Hause nimmt, so ist sie nicht gut beim Herrn angeschrieben. (Ueber weiteres Befragen.) Im Betriebe, wo ich jetzt bin, find drei Lehrmädchen auf 20 Arbeiterinnen. Die Lehrmädchen werden zum Karelanfchlagen verwendet. Bei diefer Arbeit werden die Lehr­mädchen drei Jahre beschäftigt, und nur wenn sie Hiebei nichts zu thun haben, kommt es vor, daß sie zur anderen Arbeit verwendet werden. So macht man es aber, meine ich, nur in unserer Fabrik. Auch häusliche Ge­schäfte und das Laufen werden den Lehrmädchen übertragen. Sie müssen reinigen, sie müssen auch ein sehr schweres Rad treiben. Dafür wären allerdings Lehrburschen da, aber die müssen fleißig beim Stuhl fitzen und dürfen sich nicht fortrühren. Die Zeit, während welcher die Lehrmädchen Radtreiben müssen, ist verschieden. In manchen Wochen kam es vor, daß ein Lehrmädchen den ganzen Tag ein schweres Rad drehen mußte. Für das Zuspätkommen