197

UM fünf Minuten wird uns der Lohn für eine Viertelstunde, das ist drei Kreuzer abgezogen. Wohin das Geld gelangt, wissen wir nicht. Die Arbeits­zeit ist von 7 bis 6 Uhr, mit einer Stunde Mittagspause und je acht Minuten Frühstücks- und Jausenpause. Das Arbeitslocal ist groß und ordentlich. Es ist in einem neugebauten Haus.

Baronin Vogelfang: Sind die drei Lehrmädchen gesund? Exp. Nr. 60: Sie sind ziemlich mager und schwach, eine davon ist taubstumm, die ist ziemlich stark und gesund.

Engel: Es gibt wohl bei Ihnen Arbeiterinnen, die mehr verdienen als Sie sagten? Exp. Nr. 60: Nur zwei, die haben fl. 7, davon ist eine schon 15 Jahre im Haus.

Engel: Wie ist das Rad beschaffen und wie wird es getrieben? Exp. Nr. 60: Es wird mit der Hand getrieben, mittelst einer Kurbel. Der Tritt ist aber so niedrig, daß das Mädchen sich, besonders wenn es etwas größer ist, den ganzen Tag bücken muß. (Ueber Befragen des Vor­sitzenden.) In die Krankencaffe zahlen wir zehn Kreuzer. Ich bin außerdem noch in einer anderen Krankencaffe. Die Lüftung und Heizung ist anständig, auch wird ausgekehrt. Nur gerieben wird niemals. Seitdem ich dort bin, ist das noch nie geschehen. Ich habe zwei Kinder. Mein Mann ist Perl­mutterdrechsler und verdient fl. 9 wöchentlich. Davon müssen wir die Mutter erhalten, die Wohnung zahlen und die Kinder ernähren. Mein Mann hat seit zwei Jahren regelmäßig Arbeit, was früher nicht der Fall war. Wir bezahlen für die Wohnung, welche aus Zimmer und Küche be­steht, fl. 8 . Ich bin Mitglied des Fachvereines; bei uns sind überhaupt alle Arbeiterinnen Mitglieder.

Exp. Nr. 61 (gibt über Befragen seitens des Vorsitzenden an): Ich bin in demselben Betriebe wie die Exp. Nr. 60 und verrichte dieselbe Arbeit. Seit 19 Jahren bin ich in dieser Branche, bei dem jetzigen Chef das zweite Jahr. Früher war ich in einer größeren Fabrik. Ich habe drei Jahre lernen müssen, da bekam ich das erste Jahr fl. 1, das zweite Jahr fl. 2, das dritte Jahr fl. 3, dann arbeitete ich als Gehilfin drei Jahre für fl. 4, dann ging ich von dort weg und erhielt in dem neuen Betriebe zuerst fl. 5 V 2 , dann fl. 6 , dann fl. 6 'js und jetzt habe ich auch fl. 6 V 2 . Ich habe keine Kinder, muß aber zur Erhaltung meiner Eltern beitragen.

Engel: Warum haben Sie fl. 6 V 2 , also mehr als Ihre Collegin? Exp. Nr. 61: Weil sie bei der Putzarbeit ist und von der Möbelbranche noch keine solche Kenntniß hat.

Dr. Schwiedland: Wie groß ist Ihre Wohnung? Exp. Nr. 61 : Sie besteht aus Zimmer und Küche; ich bezahle dafür monatlich fl. 1050.

Dr. Ofner: Was verdient Ihr Mann? Exp. Nr. 61: fl. 12 .

Experte Neumann (gibt auf die Frage des Vorsitzenden an): Ich bin selbst Unternehmer. Früher war ich Werkmeister bei einer größeren Firma. Ich bin seit einem Jahre selbstständig und beschäftige gegenwärtig drei Arbeiter, vier Arbeiterinnen und zwei Lehrmädchen, Heimarbeiterinnen nicht. Der Andrang von Arbeiterinnen ist in Wien gering. Besonders gute Arbeiterinnen sind sehr gesucht. Die Stellenvermittlung hat die Kranken­kasse. Da schreibe ich hin, und sie schickt mir Arbeiterinnen zu. Es herrscht überhaupt im Allgemeiner: kein Ueberfluß an Arbeiterinnen, nicht nur an geschickten. In der Saison ist immer Nachfrage nach Arbeiterinnen. In der schwachen Zeit wird die Zahl reducirt, und da kann man leichter welche bekommen. Im Allgemeinen aber sind Entlassungen nicht üblich.

Dr. Verkauf: In großen und kleinen Geschäften sind sehr viele Lehrmädchen. Exp. Neumann: Richtig.

Dr. Verkauf: Eine sehr große Zahl von Lehrmädchen bedingt auch wohl eine sehr große Zahl von ausgelernten Arbeiterinnen. Wohin ver­schwinden also die Lehrmädchen, wenn sie ausgelernt sind? Exp. Neu-