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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Schilder: Sehr klein. Sie hat gar kein Fenster, nur eine Thür. Es ist ein altes Gebäude, wo die Wohnungen überhaupt sehr klein sind. Es waren dort zwölf Personen beisammen.

Vorsitzender: Außer der Vermieterin? Exp. Schilder: Diese und ihr Mann sind dabei mitgerechnet. Die Arbeiterinnen sind nur im Sommer dort.

Vorsitzender: Kennen Sie mehrere solcher Wohnungen? Exp. Schilder: In Sechshaus gibt es mehrere dieser Art. Das ist bei den Leuten schon so eingeführt.

Vorsitzender: Man erzählt diese Dinge von den Italienern. Das scheint also eine ständige Einrichtung zu sein? Exp. Schilder: Die Leute kennen sich, sie sind alle aus einer Gegend. Sie wohnen miteinander und fahren dann auch mitsammen weg.

Vorsitzender: Sind die Frauen alle versichert? Experte Schilder: Ja. Sie beziehen 40 kr. pro Tag.

Vorsitzender: Wie ist es mit der Erkrankungshäufigkeit? Exp. Schilder: Im Jahre 1895 waren 78 Frauen erkrankt mit 1809 Krankheitstagen. Am 1. Jänner hatten wir einen Krankenstand von 260, am 1. December einen solchen von nur 116 Kranken. Dreimal kamen Un­fälle vor. Einmal durch Absturz über die Stiege, dann auch dadurch, daß die Weiber, statt die ganze Last zu theilen, manchmal auf einmal dieselbe auf den Rücken nehmen und damit hinaufgehen. Ueber das Jahr 1894 kann ich keine Auskunft geben. Die Zahl der Verstorbenen betrug neun, wovon einige an Altersschwäche starben. Wir hatten eine Arbeiterin, die im Jahre 1822 geboren war. Die hat in der letzten Zeit das Gnadenbrot gehabt. Wenn eine solche Person schon lange in der Arbeit steht, so Pflegt der Unternehmer eine zweite Arbeiterin ihr zur Seite zu geben. Da ist sie meist auf dem Arbeitsobject.

Vorsitzender: Wissen Sie, wie viel solche ältere Personen in Ihrer Branche sind? Exp. Schilder: Ich habe die Daten nicht hier, kann es aber später feststellen.

Engel: Sind sie gegen Unfälle versichert? Exp. Schilder: Ja.

Engel: Auch in solchen Betrieben, die weniger als 20 Personen beschäftigen? Exp. Schilder: Ja, und zwar in der höchsten Gefahrenclasse.

Frau Expertin Nr. 87: Ich bin sieben Jahre bei dieser Branche. Früher war ich bei den Maurern. Unser Herr beschäftigt sieben Personen. Außer mir ist keine Frau dort. Ich muß in der Früh das Material an­machen. Zwei Buben führen es fort.

Vorsitzender: Wie sind Sie in diesen Betrieb gekommen? Haben Sie sich an eine Arbeitsvermittlung gewendet? Exp. Nr. 87: »Nein. Durch meinen Mann. Der ist auch Dachdecker, jetzt ist er krank.

Vorsitzender: Um wie viel Uhr müssen Sie am Platze erscheinen?

Exp. Nr. 87: Der Herr sagt zwar, wir müssen um 5 Uhr kommen, aber wir kommen erst um 6 Uhr.

Vorsitzender: Macht das nichts? Exp. Nr. 87: Der Herr brummt zwar alle Tage, er sagt, wer nicht um 5 Uhr da ist, muß nach Hause gehen; wir machen uns aber nicht viel daraus.

Vorsitzender: Welche Arbeit haben Sie am Platze zu verrichten?

Exp. Nr. 87: Ich muß den Mörtel anmachen, dann aufräumen, dann muß ich mich einspannen und den Wagen ziehen.

Vorsitzender: Wie weit haben Sie gewöhnlich? Exp. Nr. 87: Das ist unbestimmt. Manchmal fahren wir nach Hernals, manchmal nach Währung, Ottakring, Meidling u. s. w. Das Geschäft ist auf der Mieden.

Vorsitzender: Wie lange Pflegen Sie da zu brauchen? Expertin Nr. 87: Wir kommen gewöhnlich um halb 7 Uhr vom Platze fort und kommen um 8 Uhr zur Arbeit.