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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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würde wie auf dem Platz, so wären die Ziegel nichts werth. Dann wird das umgedreht, abgeschnitten u. s. w., und hierauf wirft man es in den Model hinein. Weil jedes Stückel von der Form extra ist, muß man das zusammenhalten, damit der Lehm nicht herausrinnt. Tann schneidet man es ab, und nun haben wir hölzerne Streichblätter, mit denen der Ziegel glatt gemacht wird. Der muß so glatt werden wie hier diese Tischplatte.

Engel: Haben Sie außer den 40 kr. im Winter auch noch die Wohnung? Exp. Nr. 90: Ja.

Engel: Also extra zahlen Sie für die Wohnung nichts. Wir haben nämlich gehört, daß in der Thonwaaren-Fabrik für die Wohnung wöchentlich 25 kr. abgezogen werden.

Vorsitzender: Wie ist es mit den Kindern? Exp. Nr. 90: Unter 14 Jahren wird keines beschäftigt, da können sie nur aushelfen, und das thun sie schon, sowie sie nur ein bischen größer sind, 6 bis 7 Jahre alt. Da müssen sie die Ziegel heraufreichen und aufstellen, wenn sie trocken sind. Und wenn der Vater mit dem Lehm und die Mutter mit den Ziegeln fertig ist, müssen die Kinder sie hineintragen. Da wird's ohnehin schon 8 Uhr.

Vorsitzender: Wie ist es mit dem Schulgehen? Exp. Nr. 90: Jetzt müssen die Kinder in die Schule geschickt werden. Bevor sie in die Schule gehen, müssen sie Ziegel aufstellen und später wieder dem Vater etwas Wasser zutragen helfen, oder sie müssen zu Hause arbeiten, Geschirr abwaschen, Wasser zutragen u. dergl. Die Mutter hat ja nicht zu Allem Zeit, und auf den Abend kann nicht Alles gelassen werden. Wenn sie ein paar Kinder hat, muß sie auch zweimal wöchentlich waschen.

Vorsitzender: Zu Hause lernen können also die Kinder nicht? Sie müssen hinausgehen und helfen? Exp. Nr. 90: Ja.

Vorsitzender: Helfen Ihre Kinder auch mit? Exp. Nr. 90: Natürlich, sie haben uns geholfen. Bis 14 Jahre sind sie in die Schule gegangen; von da an haben sie gearbeitet.

Exp. 4: Die Frau Expertin lebt eben im Vergleich zu anderen Ziegel­arbeiterinnen in außerordentlich günstigen Verhältnissen, da ihre Kinder schon groß sind.

Pros. v. Philippovich: Schreiben Sie sich in einem Buche aus, was Sie an Lohn bekommen? Exp. Nr. 90: Ja, zu Hause habe ich es.

Pros. v. Philippovich: Erinnern Sie sich, was Sie in den letzten Wochen aufgeschrieben haben? Exp. Nr. 90: Auswendig kann ich es nicht sagen.

Pros. v. Philippovich: Haben Sie immer Ziegel gemacht? Exp. Nr. 90: Immer. Im Winter, wenn wir nicht einen trockenen Schlamm gehabt haben, sind wir auf den Platz hinausgegangen, um Mauerziegel zu machen. Da bekommt man sl. 3 vom Tausend. In der Woche macht man je nachdem 5, 6 oder Ohch auch 7 Tausend, aber da helfen schon die Kinder mit.

Pros. v. Philippovich: Bei 6000 ist das also ein Wochenverdienst von st. 18. Wie viel bekommt davon die Frau? Exp. Nr. 90: Einen Gulden vom Tausend.

Pros. v. Philippovich: Das wären also in der Woche st. 6. Da bekommt sie also bei Mauerziegeln mehr als bei Extraziegeln? Expertin Nr. 90: Ja, bei Extraziegeln ist die wenigste Zahlung.

Dr. Ofner: Wer mißt die Arbeit im Winter ab? Exp. Nr. 90: Der Jnspector und der Werkleiter; der sagt zu dem Mann, der immer bei der Arbeit ist, er soll den Meter nehmen und messen; und sie gehen nach und schauen, wie er mißt, und zählen. Der Partieführer geht mit und schaut zu.

Vorsitzender: Ihre Arbeit dauert von Sonnenaufgang bis Sonnen­untergang, also im Sommer mitunter sehr lange, bis 8 Uhr. Dann schlafen