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paarmal wieder nach Meidling oder Fünfhaus, wo die Sachen billiger zu haben sind, oder man geht in den Arbeiter-Consumverein.
Bardorf: Ich weiß, daß die Leute zum Confumverein nur sehr wenig hingehen. Das zeigt, daß man dort die Lebensmittel gar nicht oder theuer bekommt. — Exp. Nr. 90: Ja.
Bardorf: Kommt es vor, daß die Familien gemeinsam kochen? — Exp. Nr. 90: Ja.
Dr. Schiff: Wann haben Sie Zeit, nach Meidling zu gehen? — Exp. Nr. 90: Sonntag.
Dr. Schiff: Wie weit ist das? — Exp. Nr. 90: Zwei Stunden.
Dr. Schiff: Wird dort auch Branntwein gekauft? — Exp. Nr. 90: Mancher kauft ihn auf dem Werk vom Wirth, Mancher holt sich aus Meidling zwei, drei Flaschen auf die ganze Woche.
Vorsitzender: Wem gehört die Wirthschaft auf dem Werk? Ist das eine Cantine? — Exp. Nr. 90: Die gehört dem Wirth, sie ist von der Unternehmung verpachtet.
Dr. Adler: Im Sommer werden Sie doch eine andere Wirthschaft führen als im Winter? — Exp. Nr. 90: Manchmal kommt es im Sommer vor, daß man zwei bis drei Eier dazu gibt und so ein Batschki-Batschki auf dem Schmalz macht und eine Erdäpfelsuppe dazu. Oder man zerschneidet Semmeln, oder man macht Knödel mit Kraut, Erdäpfelknödel oder Erdäpfel- sterz und wieder Erdäpfelsuppe, und wenn die Zwetschken kommen, so macht man halt Zwetschkenknödel. Bei mancher Familie, wo nur zwei Leute ohne Kinder sind, können sie sich eher etwas vergönnen; bei Anderen geht es mit Wuchteln nicht, und wenn sie auch welche machen — was können sie denn da hineingehen?
Dr. Adler: Haben Sie im Winter auch immer Fleisch? — Expertin Nr. 90: Roßfleisch, ein Kilo um 82 kr., das ist für fünf Leute.
Dr. Adler: Sie wohnen mit Anderen in einem Raum? Warum haben Sie sich nicht eine eigene Wohnung genommen? — Exp. Nr. 90: Wenn der Werkleiter sie uns nicht gibt, kann man nichts machen.
Dr. Adler: Haben Sie noch nicht versucht, sich im Orte in einem Hause eine Wohnung zu nehmen? — Exp. Nr. 90: Nein.
Exp. Nr. 91: Ich habe früher bei der Union-Baugesellschaft in Roth- neusiedel gearbeitet, da bin ich abgedankt worden und arbeite jetzt auf einem anderen Werke. Ich führe Lehm und bin vier Wochen in der Arbeit. Jetzt haben sie uns auf 14 Tage aus der Arbeit weggegeben, weil das Werk nicht geht. Wir leben halt von dem, was wir verdienen. Jetzt geht es noch, weil wir noch Arbeit haben, aber dann später — das weiß ich nicht. Ich weiß ja nicht, ob wir noch Arbeit bekommen oder nicht. Und selbst wenn wir Arbeit haben, so habe ich sieben Kinder, dazu noch eine alte Mutter, und da wissen wir am Freitag oder Samstag nicht, was wir kochen sollen. Jetzt können die Kinder gar nicht in die Schule gehen, weil sie keine Schuhe und Strümpfe haben. Wenn man sich im Sommer ein paar Gulden erspart hat, so muß man das im Winter zusetzen, und es ist mir da wirklich manchmal nicht einmal möglich, den Kindern ein Gewand zu kaufen.
Vorsitzender: Sie führen immer Lehm? — Exp. Nr. 91: Im Sommer mache ich Mauerziegel; da verdiene ich fl. 6 bis 6'50, wo aber die Kinder mithelfen.
Vorsitzender: Sie arbeiten auch von 6 bis 6 Uhr? — Expertin Nr. 91: Von 5 Uhr Früh bis 7 Uhr Abends. Im Winter, wenn es licht wird
— manchmal ist es sogar noch finster — muß man hinausgehen und arbeiten.
— Exp. 4 : Die Frau soll sagen, warum sie entlassen worden sind. — Expertin Nr. 91: Weil mein Mann eine größere Zahlung verlangt hat. Vor Weihnachten hat der Mann 80 kr., das Weib 40, 43, 38 kr. bekommen. — Experte 4: Ist es vorgekommen, daß der Mann 70 oder gar nur 68 kr. bekommen hat?