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Bardorf: Sind die Verhältnisse bei den Wicklerinnen ebenso wie bei Ihnen? Exp. Nr. 96: Die sind manchmal aus besseren Kreisen und werben vom Herrn vorgezogen. Es war einmal eine Beamtenstochter dabei.

Vorsitzende: Erlauben sich die Chess etwas gegen die Mädchen, was nicht anständig wäre? Exp. Nr. 96: Nein.

Vorsitzende: Aber die Gespräche, Unterhaltungen unter den Leuten, sind die immer anständig? Exp. Nr. 96: Nicht immer. Keine von den Arbeiterinnen in unserer Werkstätte ist verheiratet. Es gibt in der ganzen Fabrik vielleicht nur drei Verheiratete. Manche von den Mädchen haben Kinder zu erhalten und führen selbstständigen Haushalt, auch wenn sie nicht verheiratet sind. Die Meisten wohnen mit ihrem Verehrer zusammen, und der erhält natür­lich die Kinder mit. Wir müssen bei der Arbeit leicht gekleidet sein, deshalb ziehen wir uns in der Werkstätte um; wir haben dazu einen Kasten ohne Thür, ebenso auch die Männer. Wir bewohnen ein Zimmer mit zwei Fenstern und eine Küche. Für Geselligkeit und Unterhaltung können wir nichts ver­wenden. Wir hätten schon Lust, in's Theater zu gehen, aber es geht nicht. Ich bin im Volksbildnngsverein, da kann ich die Bibliothek benützen, und am Sonntag ist im Verein durch zwei Stunden Tanzschule. Ich gehöre der Bezirks-Krankencasse an. Dafür werden 10 kr. vom Wochenlohn abgezogen. Auch der Unfallversicherung gehöre ich an, es wird aber dafür nichts ab­gezogen. Wir bekommen im Krankheitsfälle 48 kr. Ich werde von Niemand unterstützt, sondern wir zwei Schwestern müssen die Mutter erhalten.

Dr. Frey: Sie wohnen zu Dreien; haben Sie jede ein Bett? Exp. Nr. 96: Ja.

Dr. Ofner: Wo waren Sie, bevor Sie in das Geschäft gegangen sind? Exp. Nr. 96: Ich habe mit 14 Jahren zu arbeiten angefangen, da bin ich in das Arsenal gekommen; dort war ich bis 17 Jahre, und jetzt bin ich 18 Jahre.

Dr. Ofner: Warum sind Sie aus dem Arsenal weggegangen? Exp. Nr. 96: Es war ein Lieutenant dort . . .

Dr. Osner: Da wollten Sie wahrscheinlich den Zudringlichkeiten diesselben entgehen.

Expertin Nr. 97 (über Befragen seitens des Vorsitzenden): Die Verhältnisse bei den Wicklerinnen sind folgende: Es ist eine Wicklerin, die fl. 7, zu Weihnachten sogar fl. 9 verdient. Da hat sie sich aber schon Arbeit nach Hause genommen. In der Fabrik selbst verdient man sich in der Regel fl. 5. Man kann sich auch Arbeit nach Hause mitnehmen, weil die Arbeit nicht schwer und nicht anstrengend ist. Die Anzahl der Beschäftigten ist nicht immer gleich. Manchmal setzt der Herr Einige dazu, manchmal nimmt er Einige weg. Ich bin drei Jahre in dem Betrieb, früher war ich in einer großen Fabrik; dort habe ich fl. 4 verdient, und jetzt verdiene ich ebenfalls fl. 4. Ich war auch während der drei Jahre nicht ununterbrochen beschäftigt, sondern, wenn der Herr grob war, bin ich gegangen, und dann bin ich wieder aufgenommen worden. Ich mache dieselbe Arbeit wie die frühere Expertin, aber außerdem noch das Zuckerrollen, das ist nämlich Männerarbeit. Da muß ich das große Sieb hin- und Herrollen, damit man dann die Leisten schneiden kann. Da muß ich mich den ganzen Tag sehr anstrengen. Ich mache täglich bei dieser Arbeit 20 Sud. Die Männer be­kommen dafür fl. 12. Wir leisten dasselbe wie die Männer. Die Wicklerinnen sind aus dem Grunde besser bezahlt, weil sie aus besseren Häusern sind. Es sind aber auch welche darunter, die nur fl. 3'90 und 4, dann aber auch solche, die fl. 6 und 6'50 haben. Die Eltern der Mädchen sind einmal etwas gewesen und dann zu Grunde gegangen. Es sind auch schon Beamtenstöchter dabei gewesen. Jetzt ist nur eine Beamtenstochter dabei, und die wird vom Herrn vorgezogen)

Dr. Biezina: Warum läßt der Herr die Arbeit, für welche er den

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