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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Männern fl. 12 zahlen muß, nicht ganz durch weibliche Arbeiterinnen ver­richten, denen er nur fl. 4 zu zahlen braucht? Exp. Nr. 97: Es ist nur ein Mann da, der das Zuckerrollen verrichtet und dafür fl. 12 be­kommt. Aber der Herr gibt den nicht weg, weil er auch zum Auflösen des Abfalles verwendet wird, was Frauen nicht besorgen können.

Bardors: Kommen die Wicklerinnen mit den Kunden in Berührung, und müssen sie deswegen vielleicht besser gekleidet sein? Exp. Nr. 97: Weder das Eine, noch das Andere. Sie müssen nur rein gekleidet sein.

Dr. Schüller: Worin besteht das Zuckerrollen? Exp. Nr. 97: Da ist ein Eimer Sud, der wird z. B. mit fünf Kilo gefüllt, da wird ein Strudel" gemacht, wie wir es nennen, und dann wie eine Walze gerollt. Das ist sehr heiß, und man verbrennt sich dabei oft die Hände. Eine Sud hat 20 bis 25 Kilogramm Füllung. Das Rollen dauert eine halbe Stunde. Tann habe ich vielleicht fünf Minuten Pause, dann muß ich wieder die Fülluug Herrichten und wieder rollen.

Vorsitzende: Könnte diese Arbeit nicht durch eine Maschine ver­richtet werden? Exp. Nr. 97: Nein, denn der Zucker, muß weich bleiben, und die Füllung muß in der Mitte drin sein. Wenn die Füllung heraus­geht, so hat der Herr einen riesigen Schaden. Man könnte aber Handschuhe anziehen, um sich nicht so sehr verbrennen; vor zwei Jahren hat es ein Arbeiter versucht, da hat es der Herr, weil ihn das ekelt, verboten.

Dr. Schüller: Dürfen Sie mit den Brandblasen rollen? Exp. Nr. 97: Ja, so lange, bis die Brandblasen wieder vertrocknen.

Dr. Schüller: Wenn sie aber aufspringen? Exp. Nr. 97: Dann geht es in den Teig.

Dr. Lode: Kommen denn wirkliche Brandblasen häufig vor? Exp. Nr. 97: O ja; besonders anfangs hat man 10, 12 Blasen an den Händen.

Dr. Lode: Wie groß sind die? Exp. Nr. 97: Die gehen oft über den ganzen Finger.

Dr. Lode: Sind sie mit Wasser gefüllt? Exp. Nr. 97: Ja.

Dr. Lode: Kommt es vor, daß diese Blasen eitern? Expertin Nr. 97: Ja, hie und da, wenn z. B. Schmutz hineinkommt.

Dr. Lode: Müssen Sie auch mit diesen eiternden Händen arbeiten? Exp. Nr. 97: Nein, da bleiben wir zu Hause und bekommen Kranken­geld. Vor 14 Tagen ist es Einer passirt, es kommt aber selten vor. Die hatte fl. 3 50 Lohn und bekam 48 kr. Krankengeld. Sie ist also besser daran, wenn sie krank ist.

Dr. Lode: Ich möchte nur bemerken, daß ich nicht glaube, daß diese Blasen wirkliche Brandblasen sind. Exp. Nr. 97 (über Befragen): Zuerst war ich in der großen Fabrik zwei Monate im Magazin Einlegerin; da habe ich die Bäckereien in die Schachtel gelegt, da ist es mir sehr gut gegangen; ich war noch jünger und habe schon fl. 4 bekommen. Ich bin von dort weggegangen, weil mir der Weg zu weit war; jetzt habe ich nur eine Viertelstunde zu gehen. Ich wohne mit meiner Mutter zusammen; wir haben ein Zimmer und zahlen dafür fl. 5. Küche haben wir keine. Die Mutter ist gichtkrank, und ich allein muß sie von den fl. 4 erhalten. Bis voriges Jahr hat der Bruder noch dazu gezahlt, aber Heuer nicht mehr. In der Früh kocht die Mutter Kaffee. Zu Mittag esse ich hie und da eine Zuspeise, und die Mutter trinkt Kaffee oder was sie halt zu Hause hat. Jause habe ich keine, sondern um '/,>7 Uhr trinke ich zu Hause wieder Kaffee, und zwar schon als Nachtmahl. Manchmal kauft die Mutter um 10 kr. Wurst. Am Sonntag kauft die Mutter für Mittags und Abends um 30 kr. Rindfleisch.

Dr. Frey: Wie lange ist die Mutter krank? Exp. Nr. 97: Acht Jahre.