Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
341
Einzelbild herunterladen

341

Tr. Frey: Wovon haben Sie vor acht Jahren gelebt? Damals konnten Sie noch nichts verdienen? Exp. Nr. 07: Damals unterstützte uns der Bruder.

Pernerstorfer: Haben Sie nie daran gedacht, die Mutter in Hie Cur nach Baden zu geben? Es gibt dort ein Hans, wo die Cur unent­geltlich gebraucht werden kann. Exp. Nr. 07: Eine Lehrerin hat die Mutter nach Ungarn geben wollen; die Mutter aber wollte nicht. Sie sagte, ihr nütze ohnehin nichts.

Bardors: Sie versorgen also auch die häuslichen Arbeiten? Exp. Nr. 07: Ja; die Mutter hilft nur beim Waschen ein bischen. Da bleiben wir an einem Wochentage etwas länger aus, um zu waschen.

Vorsitzende: Sind Sie in einem Vereine? Exp. Nr. 07 : Nein, ich bin nicht in der Drganisation.

Vorsitzende: Lesen Sie hie und da Zeitungen? Exp. Nr. 07: Ich lese hie und da dieArbeiter-Zeitung", wenn ich sie gerade bekomme. Bücher habe ich keine.

Schluß der Sitzung 10 Uhr 30 Minuten.

19. Sitzung, Freitag, 20. Wär; 1896.

Vorsitzender: Pernerstorfer.

Beginn 7 Uhr 30 Minuten Abends.

Vorsitzender: Wir setzen heute die Vernehmungen aus der M e ta l l - In d u str i e fort.

Expertin Nr. 08 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin Eßbesteck- seilerin. Wir haben zwei Feilen, eine grobe und eine feine, eine Raspel- nnd Schlichtfeile. Wenn der Löffel vom Gnß herauskommt, so hat er einen Anguß, dieser mnß zuerst mit der Scheere abgezwickt und dann mit der Raspel weggefeilt werden. Dann kommt die feine Feile, mit der man den Stiel des Löffels feilt, und dann wird er mit einer Klinge abgeschabt. Hieraus wird der Löffel mit einem Messer ausgeschnitten, damit er die richtige Fa^on bekommt. Es sind nicht alle Löffel gleich leicht zu behandeln. Bei einem Metall geht es besser, bei einem anderen schlechter. Wir fabri- ciren nur gegossene Zinnlöffel, keine gestanzten Metalllöffel. Wir verrichten die Arbeit sitzend, und zwar ununterbrochen dieselbe Arbeit. Ich bin jetzt schon über acht Jahre dabei. Früher war ich in einer Metallkapselsabrik, dort wurden die Kapseln für die Weinflaschen gemacht. Ich war dort 13 Jahre. Mein jetziger Betrieb ist ein Kleinbetrieb. Die Männer besorgen das Gießen. In unserer Werkstätte, und zwar in demselben Vocal, ist eine Lochmaschine. Wir nehmen auch Arbeit mit nach Hause, namentlich wenn die Arbeit stark geht. Wenn die Mädchen in's Geschäft kommen, müssen sie erst drei Wochen abgerichtet werden. Während dieser Zeit sind sie schon im Accord. Eine Mitarbeiterin zeigt ihr das Ganze und unterrichtet sie, natürlich kann diese dann selbst weniger arbeiten. Trotzdem bekommt sie kein Entgelt für den Unterricht. Die Mädchen sind meist Arbeitertöchter. Wir hüben keine Arbeits Vermittlung. Wenn ich heute meinen Posten verlieren würde, so müßte ich zu einer anderen Branche gehen, denn in unserer Branche findet man nicht so leicht einen Platz. Ich arbeite im Accord und verdiene durchschnittlich fl. 5. Manchmal auch nur sl. 4 oder 3. Während der acht Jahre, wo ich in dem Geschäfte bin, war das Meiste, was ich in einer Woche verdient habe, fl. 7,