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Dr. Schiff: Wird in allen Fabriken 1 kr. für das Dntzend gezahlt?

Exp. Nr. 98: So viel ich weiß, überall.

Dr. Schiff: Weshalb kann man einen Posten in Ihrer Branche nur schwer finden? Exp. Nr. 98: Es gibt viele Arbeitslose und wenig vacante Posten.

Dr. Riedl: Haben früher auch Männer die Arbeit verrichtet, welche Sie jetzt verrichten? Exp. Nr. 98: Ja, sogar jetzt noch in einzelnen Betrieben.

Dr. Riedl: Was haben die Männer bekommen? Exp. Nr. 98:

5 kr., aber das ist schon sehr lange her, das war vor acht Jahren. Für Suppenschöpfer haben sie l0 kr. bekommen.

Vorsitzender: Gibt es auch bei Ihnen Heimarbeiterinnen, die nicht in der Fabrik arbeiten? Exp. Nr. 98: Ja, bei starker Arbeit. Sie bekommen denselben Lohn wie wir und müssen täglich liefern gehen.

Dr. Verkauf: Ist eine bestimmte Lieferungsstunde? Expertin Nr. 98: Nein.

Dr. Verkauf: Wie lange dauert das Abliefern, bis sie wieder eine Arbeit bekommen? Exp. Nr. 98: Etwa eine Stunde. Ich kenne eine solche Arbeiterin, die macht 40 bis 50 Dutzend, so viel sie eben nach Hause bekommt. In der schwachen Zeit bekommt sie nichts nach Hause; jetzt fängt wieder die starke Zeit an, da wird sie wieder Arbeit kriegen.

Dr. Verkauf: In welchem Verhältnisse befindet sich diese Arbeiterin?

Exp. Nr. 98: Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Früher war sie in der Fabrik, ist aber weggegangen, weil sie eben zu Hanse die Kinder warten muß. Sie betreibt das nur, um etwas dazu zu verdienen.

Dr. Schwiedland: Können bei den Heimarbeiten auch Kinder be­schäftigt werden? Exp. Nr. 98: Nein. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Unsere Arbeitszeit ist von 7 bis 0 Uhr mit einstündiger Mittagspause. Wir haben keine Vormittags- und keine Jausenpause und müssen während der Arbeit essen, und zwar mit schmutzigen Händen. Zu Mittag bleiben wir Alle in der Werkstätte und machen uns meist einen Kaffee. An Sonntagen wird nicht gearbeitet, an manchen Feiertagen bis Mittag. Kündigungsfrist ist keine, weder seitens des Herrn, noch seitens der Arbeiter.

Dr. Maresch: Haben Sie immer die gleiche Arbeitszeit gehabt, und ist auch in den anderen Fabriken die gleiche Arbeitszeit? Exp. Nr. 98: Ja.

Dr. Maresch: Ist es Ihnen ausgefallen, daß zur gewissen Tages­zeit Ihre Arbeitskräfte nachlassen? Exp. Nr. 98: Gewiß, am Abend kann man nicht mehr so arbeiten als in der Früh.

Dr. Schwiedland: Wie viel Dutzend bringen Sie Vormittags, wie viel Nachmittags zu Stande? Exp. Nr. 98: Vormittags 35, Nach­mittags 25, 28, 30.

Mittels höser: Wird ein Zeichen gegeben, wenn die Mittagspause beginnt, und arbeitet man nicht manchmal während der Mittagspause? Exp. Nr. 98: Zu Mittag wird abgeläutet. Es kommt aber öfters vor, daß auch nach dem Läuten gearbeitet wird, weil wir uns dadurch mehr verdienen.

Dr. Riedl: Wird beim Eintritt in die Arbeit gesagt, daß keine Kündigung besteht? Exp. Nr. 98: Nein.

Dr. Riedl: Woher wissen Sie denn, daß die gesetzliche Kündigungs­frist von 14 Tagen nicht eingehalten wird? Exp. Nr. 98 : Ich sehe es ja bei allen anderen Arbeiterinnen.

Dr. Schwiedland: Haben Sie in der stillen Zeit einen Neben­erwerb ? Exp. Nr. 98: Nein.

Dr. Schwiedland: Warum bleiben die Arbeiter zu Mittag in der Wcrkstätte und gehen nicht etwa in die Volksküche? Exp. Nr. 98: Weil es viel zu theuer ist. Das Gemüse kostet 5 kr., die Mehlspeise'8 kr.; wenn wir uns einen Kaffee machen, so ist das viel billiger.