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Wittelshöser: Wird Ihnen früher gesagt, wenn Sie mehrere Tage in der Woche aussetzen müssen? — Exp. Nr. 105: Der Werkführer sagt am Dienstag z. B.: Kommen Sie Freitag wieder, und wenn Freitags wieder keine Arbeit ist, so muß die Betreffende abermals nach Hause gehen. «Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Unsere Arbeitszeit ist von 7 bis 12 und von 1 bis 6 Uhr. Nachtarbeit kommt nicht vor, und auch an Sonn- und Feiertagen wird nie gearbeitet. Wahrend der Mittagspause müssen Alle das Local verlassen. Ein Theil geht in die Volksküche oder in die Suppen- oder Theeanstalt, ein anderer nach Hause. Frühstück und Jause müssen wir unter der Arbeit essen. Während der Arbeit dürfen wir uns nicht waschen, wiewohl wir sehr schmutzig werden. Wenn man das Brot angreift, so hat man die Eindrücke von den schmutzigen Fingern. Wir haben keine Kündigungsfrist. In der Fabriksordnung ist diesbezüglich nichts bestimmt. Wir arbeiten Alle im Accord. Nur die Frauen, welche zutragen, Fetzen holen u. s. w., und auch Männer, die Zuträger sind, stehen im Wochenlohn. Es kommt auch vor, daß, wenn wir mit der Accordarbeit fertig sind, uns gesagt wird: „Jetzt arbeiten Sie im Taglohn", und da müssen wir zwei, drei Tage mit einem Lohne von 70 bis 75 kr. arbeiten. Der Accordlohn ist verschieden. Früher haben wir auch Ueberstunden gemacht, aber seit dem Strike »rächen wir keine. In den Ueberstunden haben sich Diejenigen, welche im Accord waren, mehr verdient als sonst, und die im Wochenlohn bekamen 7 oder 7'5 kr. pro Stunde. In der guten Zeit verdienen wir uns fl. 5, 6, höchstens fl. 7, in schlechter fl. 4, 3, auch fl. 2. Die gute Zeit dauert drei Monate.
Vorsitzender: Was verdienen die Männer? — Exp. R: fl. 15 bis fl. 10, die Hilfsarbeiter fl. 8.
Exp. Nr. 105 (über Befragen des Vorsitzenden): Abzüge werden uns nicht gemacht, es kommt häufig vor, daß die Scheibe eine Lampe erwischt und ganz zerhaut. Da wird der verdorbene Gegenstand wieder eingeschmolzen. Die Fabrik wird fünf Minuten vor 7 Uhr und vor 1 Uhr aufgemacht, und fünf Minuten nach 7 Uhr, respective fünf Minuten nach 1 Uhr wird das Thor wieder geschlossen und erst um 8 Uhr, beziehungsweise um 2 Uhr wieder aufgemacht. Wer also später als fünf Minuten nach 7 Uhr kommt, kann erst um 8 Uhr, respective um 2 Uhr herein, und dafür werden den Männern 10 kr., den Frauen 5 kr. abgezogen. Das ist aber erst seit dem Strike. Früher haben wir immer 10 kr. Strafe zahlen müssen, auch wenn wir nur um zehn Minuten später gekommen sind. Wenn ein Krankheitsfall eintritt, der länger als vier Wochen dauert, so bekommt der Betreffende, wenn es ein Mann ist, fl. 4, wenn es eine Frau ist, fl. 2 wöchentlich aus diesen gesammelten Strafgeldern. Wenn die Strafgelder hiezu nicht ausreichen, so wird eine Tafel ausgehängt, auf welcher steht: Bis auf Weiteres wird die Krankenunterstützung eingestellt.
Wittelshöser: Hat sich der Accordlohn geändert? — Expertin Nr. 105: Früher wurde für 100 Unterlampen fl. 1 gezahlt, in jüngster Zeit bekommt man dafür nur 00 kr. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich kann davon 120 bis 150 Stück täglich machen. Wenn wir aber eine Partie von 400 Stück in drei Tagen schon fertig haben, so gibt er uns gleich in Wochenlohn, und da verdienen wir wieder weniger. Wir selbst haben kein Material beizustellen. Ueberhaupt können wir uns in dieser Hinsicht nicht beklagen, denn wenn wir noch so viel Fetzen brauchen, wir bekommen Alles.
Dr. Maresch: Wie viel Stück machen Sie Vormittags und wie viel Nachmittags? — Exp. Nr. 105: Vormittags 70 bis 75 Stück. Da müssen wir nämlich wegen des Waschens und Unrziehens eine Viertelstunde früher aufhören — wir müssen uns erst in Petroleum und dann in Wasser waschen — Nachmittags gewöhnlich um 10 Stück weniger, sonst würde ich