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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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rinnen die Hüte nehmen und auf die Formen aufziehen. Das muß mit großer Kraft geschehen, damit der Hut, wenn er zum Bügeln oder in die Presse kommt, keine Falten macht. Wenn er schlecht aufgezogen ist, verliert er die Form. Beim Aufziehen des Hutes auf die Form ist er sehr heiß, so daß nur Jemand halten kann, der schon daran gewöhnt ist. Es kommen aber auch bei diesen Arbeiterinnen oft Blasen vor, oder sie schinden sich die Knöchel ab, daß das Blut herunterrinnt, wenn sie beim Herunterziehen nicht aufpassen.

Dr. Schüller: Gibt es dafür keine Maschinen? Exp. Humitsch: Plattirt muß der Hut werden, dann kommt er in die Preßmaschine. Für das Aufziehen gibt es keine Maschinen.

Dr. Schüller: Machen das die Frauen nicht schlechter als die Männer? Exp. Humitsch: Von den Arbeiterinnen werden nur die weichen Hüte gemacht. Die steifen Hüte machen die Männer. Der Werk­meister paßt sehr genau auf, und wenn die Arbeiterin etwas nicht in der Ordnung macht, so wird sie bestraft.

V o rsitzender: Ich habe ja früher gefragt, ob keine Strafen vor­kommen, und da haben Sie gemeint, nur wegen des Zuspätkommens. Exp. Humitsch: Daß Schadenersatz geleistet werden muß, haben ja die Büglerinnen und Staffirerinnen constatirt. Dann kommt die Färberei, wo die Waschmaschinen sind. Dort sind die Arbeiterinnen im Taglohn. Die Hüte kommen zuerst in eine Stampfe, und dann werden sie aus dem Bottich mit der Hand gewaschen. Dann kommen wir zu der Decartirarbeit, wo die Arbeiterinnen im Taglohn stehen. Hier sind sie bei den Schleudermaschinen. Bei der Presse sind hauptsächlich Arbeiter beschäftigt. Dann sind die Mädchen in der Trocknerei, welche die Stumpen hin- und Hertragen müssen. Dazu nimmt man am liebsten junge Mädchen; sie haben gewöhnlich 50 kr. pro Tag.

Vorsitzender: Wie lange sind Sie aus dem Betriebe? Exp. Humitsch: Ich bin im Jahre 1889 ausgetreten, bei dem großen Strike.

Vorsitzender: Dann werden sich die Verhältnisse in Bezug auf die Behandlung wohl geändert haben? Exp. Humitsch: Da ändert sich nicht viel.

Vorsitzender: Was wissen Sie in Bezug auf die Behandlung der Mädchen und Frauen? Exp. Humitsch: Nach meinen Erfahrungen ist es so, wie die Expertin gesagt hat. Es war ein Werkmeister dort, welcher die Frauen nicht anders titnlirt hat, als es gesagt worden ist. Wenn die Mädchen geplauscht haben, ist der Werkmeister gleich dazwischen gefahren und hat sie angeschrien. In Bezug auf die Organisation sind die Unternehmer sehr schlau vorgegangen. Wie wir im Jahre 1893 daran­gegangen sind, die Frauen dazu heranzuziehen, sind Diejenigen, die das ver­anlaßt haben, hinausbugsirt worden, und die Fabrikanten, respective ihre Helfershelfer, die Buchhalter, haben eine Privat-Krankencasse gegründet, wo­für alle Wochen 3 kr. zu zahlen waren. Wenn Jemand krank geworden ist, sollte er außer dem Krankengelde noch eine Unterstützung aus dieser Casse erhalten. Die Strafgelder sind natürlich auch dazu gekommen. Für diese Privat-Krankencasse wird alljährlich ein Kränzchen veranstaltet. Wenn ich nicht irre, so war dieses Kränzchen gestern beim Wimberger Exp. Nr. 108: Ja, gestern war's. Exp. Humitsch: Es ist schade, daß das die eine Staffirerin nicht constatirt hat. Sie ist eine Hausarbeiterin. Ihre Meisterin hat immer zu ihr gesagt: Nehmen Sie eine Karte. Sie hat geantwortet, ich habe kein Geld. Weil sie nun keine Karte genommen hat, ist sie mit der Arbeit sekirt worden, und die Meisterin hat gesagt, wer keine Karte nimmt, wird entlassen. Diese Krankencasse ist nur zu dem Zwecke gegründet worden, um die Leute von uns abwendig zu machen. Es ist schwer, den Leuten beizukommen, weil von den Buchhaltern u. s. w. möglichst auf die

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