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Fachverein an. Wir kaufen uns täglich dieArbeiter-Zeitung"; außerdem haben wir das Fachblatt der Textilarbeiter, dieArbeiterpresse".

Vorsitzender: Sie sind doch noch ein junges Mädel; machen Sie im Sommer Landpartien und dergl. mit? Exp. Nr. 113: Ich gehe höchstens nach Schönbrunn spazieren.

Vorsitzender: Kommen Sie nicht manchmal in's Theater? Exp. Nr. 113: Ich war in meinem Leben noch in keinem Theater; ich weiß gar nicht, wie es von innen ausschaut.

Vorsitzender: Aber in Versammlungen gehen Sie? Expertin Nr. 113: Ja, weil das nichts kostet. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Wenn es uns auf den Zins fehlt, so gebe ich halt her, was ich habe, und dafür geben mir dann wieder die Eltern und Brüder, wenn ich nichts habe. Wir leben überhaupt Alle ganz gemeinschaftlich.

Dr. Ofner: Ist Ihre Beschäftigung gesundheitsschädlich ? Expertin Nr. 113: Es ist sehr viel Staub, und es fliegen die Flocken von der Wolle herum, aber das ist nicht besonders gefährlich.

Tr. Schmied land: Wann ist für Ihre Familie die bessere Zeit?

Exp. Nr. 113: Für die ganze Familie im Sommer.

Dr. Schwiedland: Sie sagen, daß oft kein Geld da ist; das bezieht sich wohl nur auf die stille Zeit? Exp. Nr. 113: Ja.

Dr. Schwiedland: Was verdienen die Mitglieder Ihrer Fannlie in der guten Zeit? Exp. Nr. 113: Wenn es sehr gut geht, Vater und Mutter st. 10, ich st. 7, mein Bruder, der Werkführer ist, fl. 12, und mein anderer Bruder st. 8.

Dr. Schwiedland: Das wären zusammen st. 37; davon könnten Sie wohl etwas erübrigen? Exp. Nr. 113: Das ist nur in der allerbesten Zeit; in der schlechten Zeit, z. B. zu Weihnachten, können wir Jedes höchstens sl. 5 verdienen. Uebrigens hat mein Bruder erst jetzt fl. 12 Lohn; früher hatte er fl. 9.

Dr. Adler: Würden Sie allein, ohne Ihre Familie, eben so gut leben wie jetzt, wenn Sie nur von Ihrem Lohn leben müßten? Expertin Nr. 113: Mit fl. 7 kann man sich schon durchwursteln; aber ich glaube, ich würde, wenn ich allein wäre, doch schlechter leben, denn ich sehe, daß es den alleinstehenden Arbeiterinnen viel schlechter geht wie mir; so essen sie beispielsweise nicht täglich Fleisch, sondern Kaffee, Zuspeise und dergl.

Dr. Adler: Sie haben Alle gleichzeitig die gute und gleichzeitig die schlechte Zeit; ist es Ihrer Familie möglich, sich in der guten Zeit etwas für die schlechte Zeit aufzuheben? Exp. Nr. 113: Nein; denn in der schlechten Zeit müssen wir versetzen und Schulden machen, die wir in der guten Zeit abzahlen, damit wir wieder neue Schulden machen können, und so geht die Geschichte weiter.

Dr. Schwiedland: Was zahlen Sie Ihren Eltern für die Kost?

Exp. Nr. 113: An Wochentagen 20 kr., am Sonntag 25 kr.; wenn wenig Geld da ist, gebe ich auch für den Zins etwas her.

Dr. Schwiedland: An wen haben Sie Schulden? Expertin Nr. 113: Au die Hausfrau; dann wenn die Mutter sich bei ihrer Schwester etwas ausleiht, im Arbeiter-Consumverein und beim Greißler.

Dr. Schwiedland: Welche Höhe erreichen diese Schulden, wenn die schlechte Saison zu Ende ist? Exp. Nr. 113: Es wird ja auch in der schlechten Zeit alles Geld, das verdient wird, dazu verwendet, um jede Woche die Schulden abzuzahlen; aber sie wachsen trotzdem auf fl. 20 bis sl. 30 an.

Dr. Schwiedland: Wie kommt es, daß die Hausfrau Ihnen creditirt? Exp. Nr. 113: Sie war selbst Weberin, und der Hausherr, der jetzt schon gestorben ist, hat sie geheiratet; weil sie also aus armer Familie ist, so weiß sie schon, wie die Sachen sind.