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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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der man sich meldet? Exp. Nr. 1l4: Nein, die Frau Schmidt, die die? Mädchen versorgt, geht ohne Ordnung vor.

Exp. Tobola: Die Arbeitsvermittlung geschieht in der Wohnung des sogenannten Ansagemeisters der Genossenschaft. Die Wohnung zahlt ihm die Genossenschaft mit fl. 500 jährlich. Früher mußten die Lehrmädchen fl. 1 Einschreibegebühr zahlen, und wenn sie einen Posten bekamen, einen bestimmten Betrag zahlen. Der Gehilsenausschuß hat sich aber dafür ein­gesetzt, daß auch die Arbeitsvermittlung der Bäcker geregelt werde, weil auch von männlichen Angehörigen des Gewerbes früher lO kr. zu zahlen waren. Es gibt bei der Vermittlung durch die Genossenschaft keine Regel. Tie Arbeiterinnen müssen sich täglich anfragen, und wenn ein Platz frei ist, so schickt die Frau ein Mädchen, das sie für passend hält, hin. Es steht also ganz in dem Belieben der betreffenden Frau, wen sie hinschickt.

Dr. v. Fürth: Ist es richtig, daß die einzelnen Arbeitsbücher aufeinander gelegt werden, so daß das Buch des zuerst kommenden Mädchens zu unterst, das Buch des letzten Mädchens zu oberst liegt? Experte Tobola: Ja wohl, die Bücher kommen ganz durcheinander. Es ist zwar jetzt das Abgeben der Bücher abgeschafft, aber es wird auch jetzt nicht so vorgegangen, wie es sein sollte.

W i t t e l s h ö f e r: Wie wär es mit Ihrer freien Zeit in dem Geschäfte in Währung bestellt? Exp. Nr. 114: Ich hatte alle sechs bis acht Wochen am Sonntag frei, mußte aber erst darum ansuchen; an diesem Tage hat mich der Geschäftsführer vertreten. «Ueber Befragen.) Ich wohnte damals in dem Verschlage neben dem Laden. Ein Anslagesenster war nicht da, und mein Bett stand hinter der Brotstelle. Das Essen wurde mir von Währing heimgeschickt, Früh, Mittags und Abends. Das Mittagmahl bestand aus Suppe, Fleisch und Gemüse, war aber immer kalt, so daß ich es erst am Gasofen wärmen mußte.

Bardorf: Ist das zurückgebliebene Gebäck im Laden geblieben, wo Sie geschlafen haben? Exp. Nr. 114: Ja.

Bardors: In der Arbeiterbäckerei, wo Sie jetzt sind, haben Sie auch eine Mittagspause und regelmäßig Ihre freie Zeit. Halten Sie es also für möglich, daß auch in den Stadtgeschäften freie Zeit gewährt werden kann? Exp. Nr. 114: Ja.

Dr. Schiff: Ich habe gehört, es sei ein großer Theil der Bäcker in der Bezirks-Krankencasse? Exp. Tobola: Das sind nur Lehrlinge; Bäcker müssen stets bei unserer Casse angemeldet sein. Auch alle großen Betriebe (Fabriken) haben ihre Leute bei unserer Genossenschaft angemeldet. Mendl ist eigentlich nicht unser Mitglied, und es wäre richtig, wenn er seine Leute bei der Bezirks-Krankencasse anmelden ließe. Sein Vorgänger aber war Genossenschaftsmitglied, und deshalb sind auch jetzt die Leute bei unserer Casse geblieben. Ich glaube auch sicher behaupten zu können, daß kein Bäcker seine Gehilfen bei der Bezirks-Krankencasse angemeldet hat.

Dr. Osner (zur Exp. Nr. 114): Sie sagten uns, daß Sie in dem Geschäfte, wo Sie drei Jahre waren, oft aus eigener Tasche den Armen etwas gegeben haben. Haben Sie zusammengezählt, wie viel das beiläufig ausmachte. Exp. Nr. 114: Es waren täglich 0 bis kr.

Dr. Schiff: Also im Monat über fl. 2 bei einem Lohn von fl. 9? Exp. Nr. 114: Ja gewiß. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Oft kam es auch vor, daß man sich beim Einzählen des Gebäckes zu meinen Un- gunsten geirrt hat. Wenn ich dies dann sagte, antwortete man mir: Es kann nicht sein, es ist richtig gezählt worden. Wie viel diese Verluste für mich ausgemacht haben, weiß ich nicht. Für meinen Gebrauch habe ich sechs Stück Gebäck bekommen. (Ueber Befragen.) Die Frau, die die Arbeits­vermittlung besorgt, hat das Mädchen, welches ihr zu Gesicht stand, auf den freien Platz geschickt. ,

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