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Dr. Ofner: Hat man nicht eher eine Stelle bekommen, wenn man der Frau etwas gegeben hat? Exp. Nr. 114: Das kann ich nicht sagen, ich habe darüber keine Erfahrung. Ich selbst bin nicht zurückgesetzt worden.

W it t e l s h ö f er: Wie ist es in den großen Stadtgeschästen mit dem Gebäck, das für die Angestellten und für die Armen hergegeben wird? Exp. Nr. 114: Da besteht keine Verrechnung. Wenn ein Armer kommt, so wird ihm etwas gegeben, und was von uns gegessen wird, wird auch nicht verrechnet. (Ueber Besragen.1 Ich bewohne jetzt in der Neustiftgasse mit noch einem Fräulein ein Zimmer und zahle fl. 1 pro Woche. Mittag esse ich im Gasthause, und zwar Suppe, Fleisch und Gemüse und ein Seidel Bier um 27 kr. Zum Frühstücke bekomme ich im Geschäfte Kaffee, zum Gabel­frühstück kaufe ich mir ein Paar Würstel oder Butterbrot oder wieder Kaffee, am Abend Butterbrot oder ein Stückchen Wurst und ein Seidel Bier. An Feiertagen gehe ich nach Hause zu den Eltern, und wir gehen außer­halb der Stadt spazieren. Ich gehöre außer dem Krankenverein und der Gewerkschaft keinem Vereine an. Ich habe Niemand zu unterstützen.

Wittelshöser: Kommt es häufig vor, daß die Mädchen der Gewerkschaft angehören? Exp. Tobola: Es kommt sonst nicht vor. Die Bäcker sind wohl im Ganzen gut organisirt, aber die Ueberwachnng ist doch zu strenge; das zeigt schon die Betheiligung der Mädchen an dieser Enqutzte. Es ist nicht möglich, die Mädchen für den einen Tag freizumachen.

Bardors: Sie haben Gebäck für Ihre Person frei? Expertin Nr. 114: Ja. Die erste Zeit macht man von dieser Freiheit viel Gebrauch, doch mit der Zeit wird es Einem zuwider.

Exp. Tobola: Ich möchte noch eine Mittheilung bezüglich der Krankenkasse machen. Die Mädchen sind in dieser Beziehung sehr unwissend. Die Herren spielen gewöhnlich den Wohlthäter und ziehen den Kranken- cassenbeitrag vom Lohn nicht ab. Wenn nun aber ein Mädchen nicht im Guten fortgeht, so wird ihr zum Schlüsse der ganze Betrag auf einmal abgezogen. Es ist ein Fall vorgekommen, wo ein Meister einem Mädchen den Cassenbeitrag von sechs Monaten abgezogen hat bei einem Lohne von fl. 12 inclusive Nachtmahlgeld. Sie hat die Anzeige gemacht, und der Meister ist mit fl. 5 bestraft worden. Dann ist mir noch ein Fall bekannt, wo ein großer Meister in der Stadt mit einem Ladenmädchen ein Kind gehabt hat. Sie ist entlassen worden als die Unsittliche, und als sie ihn um eine Unter­stützung angegangen ist, hat er ihr gesagt, sie soll das Kind in die Donau werfen. Dieser Fall ist im Fachblatte ohne Nennung des Namens veröffent­licht worden, und in derVolkstribüne" ist ihm angedroht worden, daß man seinen Namen veröffentlichen werde, wenn er seiner Pflicht nicht nachkommen sollte. Daraufhin dürste er es wohl gethan haben. Ich kann nicht sagen, daß solche Fälle häufig vorkommen, aber die Mädchen sind wohl solchen Gefahren ausgesetzt. (Ueber Befragen.) Die Mädchen recrntiren sich aus den verschiedensten Kreisen. Es sind darunter welche, welche alsMädchen für Alles" eintreten und, wenn sie anständig sind, als Ladenmädchen verwendet werden. Sie sind gewöhnlich aus den ärmeren Classen, doch findet man auch die besseren Stände vertreten, besonders die Mädchen vom Lande. Die Eltern wollen ihre Kinder in irgend etwas ausbilden lassen. So ein Mädchen kommt natürlich nur in feinere Häuser. In den gewöhnlichen Bäckereien sind meist nur Kinder ärmerer Leute. Mir ist speciell bekannt, daß auch Lehrers- und Beamtenstöchter als Ladenmädchen verwendet werden, aber so viel man ober­flächlich beobachten kann, sind die verschiedensten Elemente vertreten. Eine Lehrzeit gibt es nicht. Der Lohn bewegt sich nach meinen Erfahrungen in den kleinen Betrieben zwischen fl. 7 und 1.4 monatlich. Der höchste Lohn dürfte fl. 15 sein; aber in dem größten Geschäft bei B. wird fl. 8 monatlich gezahlt. (Ueber Befragen.) Die Kündigungsfrist ist meist 14tägig; es werden oft auch nur drei Tage ausgemacht wie bei Dienstmädchen. Unsere Meister