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die Kleidung viel zugeben? — Exp. Nr. 118: Ja; ich war in einem großen Lingeriesalon.
V o r s itzender: Haben Sie Ihre Krankheit direct in Folge der Arbeit als Verkäuferin bekommen? — Exp. Nr. 118: Das weiß nicht. «Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Die Frau, bei welcher ich jetzt arbeite, hat eine Wohnung, bestehend aus Zimmer, Küche und Cabinet. Wir arbeiten in der Küche, wo nicht gekocht wird, und im Cabinet, das Zimmer dient als Wohnung der Frau. Ich selbst arbeite im Cabinet. Die Frau nimmt sich das Essen vom Gasthaus. Unser Arbeitsraum ist sehr licht und rein. Wir essen auch in der Werkstätte; ich esse mit der Frau zusammen Suppe, Fleisch und Gemüse, die Anderen gehen nach Hause. Wir haben nur die Frau als Vorgesetzte. Ich selbst bewohne ein Cabinet in Rudolfsheim, für welches ich fl. 0 zahle, gehöre keinem Vereine an, nur der Geuossenschafts- Krankencasse. Für dritte Personen habe ich keine Sorge zu tragen und bekomme selbst keine Unterstützung.
Dr. Osner: Wie viel geben Sie täglich für das Essen aus? — Exp. Nr. 118: Am Vormittag esse ich Brot mit Wurst oder auch Brot allein, es kostet 2 bis 5 kr., zu Mittag gebe ich 15 bis 17 kr., zur Jause 8 kr. und Abends 10 kr. aus.
Dr. Osner: Wie beschaffen Sie sich Kleidung, Wäsche und Schuhe? — Exp. Nr. 118: Die Kleider mache ich mir selbst; wir bekommen jedes Jahr von der Frau einen Srofs zum Geschenk.
Vorsitzender: Sind Sie in der Lage, sich Vergnügungen zu verschaffen? — Exp. Nr. 118: Wenn sie nicht zu kostspielig sind. Ich mache hie und da eine Landpartie oder gehe in's Theater.
Expertin Nr. 119 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin seit zwei Monaten Corsettennäherin. Ich bin seit zwei Jahren bei der Branche und war zuerst bei der Frau, beU welcher jetzt die frühere Expertin ist. Bei dieser habe ich zuerst ein Jahr gelernt, und dann war ich ein Jahr bei ihr als Näherin. Während der Lehrzeit habe ich zu Hause gegessen und geschlafen und keinen Lohn bekommen; als Maschinnäherin habe ich fl. 4 bekommen. Bis December war ich bei einer Zwischenmeisterin, bei der außer mir nur noch ein Lehrmädchen arbeitete. Dort habe ich sl. 4'50 und Jausen- kaffee gehabt. Das Lehrmädchen hat keinen Lohn gehabt.
Vorsitzender: Wird während der ganzen zwei Jahre Lehrzeit nichts bezahlt? — Exp. Nr. 119: Das Fräulein hat dieses Mädchen nur aus Gefälligkeit unterrichtet. Sie hat auch keine Steuer für sie gezahlt.
Vorsitzender: Sie wird also züuftlerisch nicht freigesprochen? — Exp. dir. 119: Nein. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Die Arbeitszeit war dort von halb 8 bis 12 und von 1 bis 7 Uhr, und zwar gleichmäßig das ganze Jahr. Nur im August ist meist den ganzen Monat ausgesetzt worden. Ueberstunden hatten wir keine, weil das Fräulein nicht mehr Ärbeit angenommen hat, als in der regelmäßigen Zeit fertiggestellt werden konnte. Das Arbeitslocal war dort ziemlich klein; es war nur ein Cabinet. Ich bin jetzt seit zwei Monaten selbstständig und arbeite für ein nicht besonders großes Geschäft. Es ist ein gewöhnliches Wäschegeschäft in Fünshaus mit einem Schaufenster. Es ist dort keine Verkäuferin, sondern das Fräulein besorgt den Verkauf selbst. Ich bekomme die Waare zugeschnitten und nähe sie zu Hause mit der Nähmaschine fertig. Ich mache drei Sorten von Corsetten. Bei der einen Sorte sind 24 Säumchen, ein Umlegkragen und aus den Aermeln Stickerei. Für diese bekomme ich 20 kr. und kann davon pro Tag drei, höchstens vier machen. Bei der zweiten Sorte sind 80 Säumchen, ein Umlegkragen und geputzte Aermel, die complieirter zu machen sind; dafür bekomme ich 38 kr. und mache von diesen kaum drei Stück im Tag. Die dritte Sorte hat 80 Säumchen, gleichfalls geputzte Aermel und Umlegkragen, und für diese bekomme ich 40 kr. Von diesen