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kann ich keine zwei Stück täglich machen. Mein Durchschnittsverdienst beträgt fl. 4, höchstens sl. 4'20 pro Woche. Ich habe jetzt das ganze Jahr Arbeit.

Dr. Frey: Haben Sie bei der Zwischenmeisterin an Sonn- und Feiertagen gearbeitet? Exp. Nr. 119: Nein. Ich habe auch keine Arbeit nach Hause genommen.

Dr. Frey: Wohin hat diese Zwischenmeisterin geliefert?Expertin Nr. 119: In dasselbe Geschäft, für welches ich jetzt arbeite.

Dr. Ofner: Sind Sie aufgedungen? Exp. Nr. 119: Nein.

Vorsitzender: Hat es auf Sie den Eindruck gemacht, daß die Zwifchenmeisterin an Ihrer Arbeit viel verdient? Exp. Nr. 119: Sie hat freilich mehr daran verdient, als sie mir gezahlt hat. Sie hat die Kragen und Aermel gemacht und ich die Säumchen, denn sie konnte keine Säumchen machen.

Vorsitzender: Sie verdienen aber jetzt nicht mehr wie früher. Da muß man doch denken, daß die Zwischenmeisterin mehr bezogen hat als Sie jetzt, weil sie doch jedenfalls von Ihrer Arbeit einen Gewinn gehabt hat. Exp. Nr. 119: Ja, das denke ich mir auch.

Vorsitzender: Aus welchem Gruude sind Sie eigentlich Heim­arbeiterin geworden? Exp. Nr. 119: Weil mir die Zwischenmeisterin den bedungenen Lohn nicht auszahlen konnte. Ich habe immer ein paar Wochen warten müssen, bis sie mir einmal fl. 10 gegeben hat. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich wohne bei meinen Eltern, welche Haus­besorger sind. Mein Vater ist außerdem Zimmermann und verdient fl. 10, und die Mutter hat mit der Hausbesorgerstelle zu thun. Wir haben die Wohnung umsonst. In der Früh trinke ich Kaffee, am Vormittag esse ich ein Butterbrot, zu Mittag Suppe, Fleisch und Gemüse, zur Jause Kaffee, am Abend Wurst oder Fleisch oder Gemüse, wenn es von Mittag ührig bleibt. Ich habe einen Bruder, der 26 Jahre alt ist und auch verdient. Unsere Wohnung besteht aus Zimmer und Küche. Die Eltern und ich schlafen im Zimmer, der Bruder in der Küche. Ich kann manchmal Unter­haltungen mitmachen, wenn mich der Bruder oder Vater mitnehmen. Ich gehöre keinem Vereine an und bin auch nicht in der Krankencaffe.

Engel: Haben Sie als Lehrmädchen gar nichts bekommen, weder Kost noch Wohnung? Exp. Nr. 119: Nein. Erst nach der Lehrzeit habe ich anfangs fl. 1'20, dann fl. 2 und fl. 2'50 bekommen und bin allmälig während des zweiten Jahres auf fl. 4 gekommen. Dann bin ich von dort weg, weil ich krank wurde und da mir das Nähen nicht gut gethan hat. Ich habe immer Seitenstechen und Kopfschmerzen gehabt.

Vorsitzender: Haben Sie auch Colleginnen, die an diesen Uebeln leiden? Exp. Nr. 119: Ja.

Dr. Schwiedland: Haben Sie eine eigene Nähmaschine und wie haben Sie die erworben? Exp. Nr. 119: Ja, die habe ich mir auf Raten zu fl. 5 angeschafft. Sie kostet im Ganzen fl. 55 und ist eine Greifer­maschine mit Fußbetrieb. Die Raten hat der Vater gezahlt, denn von meinem Verdienst hätte ich mir die Maschine nicht anschaffen können.

Dr. Ofner: Haben Sie für Kleider selbst zu sorgen? Expertin Nr. 119: Nein.

Vorsitzender: Ich bitte nunmehr den Herrn Experten Ludwig, uns ergänzende Auskünfte zu geben.

Experte Jgnaz Ludwig (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin Zu­schneider in Confectionsgeschäften und habe keinen ständigen Posten, sondern ich arbeite einmal hier, einmal dort. Ich war früher Zuschneider in einem Fabriksbetrieb, aber nachdem ich verheiratet bin und eine Familie zu erhalten habe, so muß ich trachten, meinen Verdienst zu verbessern, deshalb habe ich mich um mehrere Confectionsgeschäfte umgesehen, für welche ich im Stücklohn arbeite und mehr verdiene. In den Confectionsgeschäften ist es