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derselbe war aber rein. Ueber den jetzigen Betrieb kann ich nicht viel angeben, weil ich erst 14 Tage dort bin. Ich verdiene jetzt sl. 4. Der Chef hat mir aber versprochen, daß er mir mehr geben wird. Unsere Arbeitszeit ist jetzt von 7 bis 7 Uhr mit einer Stunde Mittagspause. Auch Vor- und Nachmittags kann man pausiren, so lange man eben ißt.
Engel: Wo sind dort die geheizten Büsten? — Exp. Nr. 120: Sie sind dort, 24 an der Zahl, in einem abgesonderten Raume. Es ist in dem jetzigen Betriebe nicht so rein wie in dem früheren.
Dr. Frey: Ich muß bemerken, daß bereits eine Expertin aus diesem Betriebe einvernommen wurde, welche constatirt hat, daß dieselbe insgeheim, über ihre eigene Veranlassung reinigen läßt, ohne daß der Chef etwas weiß.
— Exp. Nr. 120: Jetzt ist dort die Reinigung schon durch den Herrn angeordnet worden, und zwar in Folge der Enquöte. Auch die Wirkung hat die Enquete gehabt, daß an Feiertagen bis 2 Uhr gearbeitet und der ganze Tag gezahlt wird.
Dr. Schüller: Wissen Sie bestimmt, daß die Büsten in dem früheren Betriebe jeden Tag von 2 Uhr bis Abends gebrannt haben? — Exp. Nr. 120: Ja; ich selbst habe sie angezündet. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Die Wohnung meiner Eltern besteht aus Zimmer, Vorzimmer, Cabinet und Küche. Dieselbe ist in der Leopoldstadt gelegen.
Vorsitzender: Wie viel Flammen haben an einer Büste gebrannt?
— Exp. Nr. 120: Das weiß ich nicht. An einem Kautschukringe haben in einer Linie viele kleine Flämmchen gebrannt.
Vorsitzender: Wissen Sie, wie hoch die Temperatur in dem Local war? — Exp. Nr. 120: Das weiß ich nicht.
Vorsitzender: Wie alt sind Sie? — Exp. Nr. 120: 18 Jahre.
Expertin Nr. 121 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin Cravatten- näherin. Die Cravatten werden lediglich von Subnnternehmern hergestellt. Es gibt zwar sogenannte „Cravattenfabriken", aber auch diese sind es nur dem Namen nach, in Wirklichkeit fabriciren — mit Ausnahme von drei wirklichen Fabriken, wo der Herr die Cravatten bei sich herstellen läßt — nur die Subunternehmer. Diese beziehen von dem „Fabrikanten" den Stoss, welcher zwar nicht ganz zugeschnitten, aber so „ausgezeichnet" ist, daß so und so viele Cravatten daraus gemacht werden können. Im Allgemeinen müssen die Subunternehmer nur das Blech, die Nadeln rc. beistellen; ich weiß nur ein Geschäft, welches gar keine Zugehör hergibt, auch nicht das Futter. Das Zuschneiden besorgt meist ein Fräulein, manchmal auch ein Manipulant; in einzelnen Geschäften wird mit der Maschine zugeschnitten. Das Futter wird nicht zugeschnitten, sondern es wird nur ausgerechnet, daß eine gewisse Anzahl Cravatten damit gefüttert werden kann. Ich arbeite bei einer Subunternehmerin, welche vier Mädchen beschäftigt. Wir machen feinere und mittlere Waare; ganz ordinäre nicht. Die Feinheit der Arbeit wird nach dem Futter bemessen; die feine Waare wird mit Atlas, die mittlere mit Baumwolle und die ordinäre mit Shirting gefüttert. Auch die „Einlage" dient als Maßstab; in die ordinäre Waare kommt als Einlage Papier, in die mittlere Watte und in die feine Barchent. Es kommt vor, daß auf einen und denselben Stoff manchmal Shirting, manchmal Baumwolle und manchmal Atlas als Futter gegeben wird, so daß dieser selbe Stoff zu einer feinen, mittleren und ordinären Cravatte verarbeitet wird. Auch die Bezahlung der Frau richtet sich nach der Qualität des Futters. Ich habe st. 6 Wochenlohn, aber das rührt nur daher, weil meine Frau mich braucht, da ich eine ganze Cravatte herstellen kann; sie kann das nicht, und man findet unter 100 Cravattennäherinnen nur fünf oder sechs, die das können. Deshalb werden die Anderen viel geringer bezahlt; sie haben fl. 3 bis 4; wenn eine fl. 4'80 bekommt, so muß sie schon außerordentlich viel leisten. Die anderen Arbeiterinnen haben sogar nur fl. 2 bis 2'50. Im Allgemeinen können