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darnach wird das berechnet. Wenn das Material nicht recht oder nicht passend ist, so kommt sie und holt sich neues Material. In anderen Geschäften, wo man Uniformen arbeitet, wird nach dem Gewicht gearbeitet. Dort stehen sich die Mädchen so ziemlich ebenso wie bei mir. Ich glaube aber, daß es sonst nirgends vorkommt, daß die Mädchen auch in Kost sind.

Baronin Vogelfang: Welchen Lohn bekommen die Bilder­stickerinnen? Exp. Geißler: Das sind Seidenstickerinnen, die bekommen nie weniger wie fl. 2 pro Tag.

Wittelshöfer: Wonach richtet sich das, ob eine Arbeiterin in Kost ist oder nicht? Und welche Kategorien von Arbeiterinnen haben die Kost? Exp. Geißler: Das ist je nach den speciellen Verhältnissen. Ein Mädchen hat dadurch eine Aufbesserung, daß man es in Kost genommen hat. Die Tambourirerin wurde gleich unter der Bedingung aufgenommen, daß sie den Mittagstisch erhält; die hat fl. 2 und außerdem die Kost. Eine Andere leidet an Knochenerweichung und kann nicht gehen, ißt des­halb bei mir. Der Arbeiter hat sl. 18 und tägliche Kost.

Wittelshöfer: Bleibt eine Tambourirerin immer bei der Tambourirarbeit, oder wird sie auch zu anderen Stickereien verwendet? Exp. Geißler: Die Tambourirarbeit ist von der Stickerei getrennt, und die Tambourirerin bleibt immer bei der Tambourirarbeit.

Wittelshöfer: Bei der Goldstickerei kommen wohl auch Abfälle an Material vor? Exp. Geißler: Die Abfälle, das Gekrätze, darf die Heimarbeiterin behalten. Der Werth desselben dürfte pro Woche etwa 50 kr. ausmachen.

Wittelshöfer: Kommt es da nicht vor, daß Sie Gefahr laufen, daß von diesem kostbaren Material etwas veruntreut wird? Haben Sie keine Beaufsichtigung? Exp. Geißler: Bei den Heimarbeiterinnen weiß man jchon, wie viel Material zu einer bestimmten Arbeit gebraucht wird. Bei der Arbeit im Hans ist ja meine Frau den ganzen Tag im Arbeitszimmer, und eine Arbeiterin, welche das größte Vertrauen genießt, gibt das Material her und nimmt das Ueberschüssige zurück. Die Arbeite­rinnen selbst gehen nicht über den Materialienkasten. Ueberdies kann ja eine Arbeiterin eine ganze Spule Gold nicht stehlen, und wenn sie weniger einsteckt, so nützt auch die Controle nichts. Würde man übrigens auf eine Arbeiterin in dieser Beziehung gerechten Verdacht haben, so würde man sie expediren.

Dr. Schiff: Wie vertheilen sich Ihre Arbeiterinnen der Zahl nach auf die verschiedenen Arbeitszweige? Exp. Geißler: Ich habe zwei Tambourirerinnen, drei seine Seidenstickerinnen, von welchen eine außer Hause arbeitet, und die klebrigen machen Sprengarbeit; von den Letzteren sind vielleicht nur sechs bis acht, die nur Sprengarbeit machen. Die meisten Arbeiterinnen sind bei mir in die Lehre gegangen.

Dr. Schiff: Wird bei Ihnen auch zu Mittag gearbeitet, wenn viel zu thun ist? Exp. Geißler: Wem: eine Arbeit sehr dringend ist, so arbeiten während der Mittagsstunde Jene, welche bei mir essen, und wenn dann die Anderen zurückkommen, so essen sie nachträglich.

Dr. Schiff: Holen Sie für die Ueberstunden die behördliche Be­willigung ein? Exp. Geißler: Nein. Nur für die Sonntagsarbeit. Da kann ich einen merkwürdigen Fall erzählen. Die neuen Minister wurden Freitag ernannt und mußten sich am Montag vorstellen. Inzwischen sollten die Uniformen fertig sein. Da mußten wir auch Sonntag arbeiten. Zufälligerweise kommt Jemand von der Polizei und findet, daß am Sonntag gearbeitet wird. Ich war damals leider nicht in Wien, sondern in Karlsbad, und meine Frau wird Hinaufgerufen und befragt, warum sie am Sonntag gearbeitet habe. Sie sagte, die Minister brauchten es. Darauf sagten die Leute auf der Polizei:Das geht uns nichts an. Wenn Sie Sonntags arbeiten wollen, müssen Sie mindestens vier Tage früher kommen, damit