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hinauskommen, Manche ans Mangel an Begabung, Andere, weil die feineren Arbeiten verhältnißmäßig nicht viel besser als die Sprengarbeit bezahlt werden.

Dr. Schiff: Bildet die Sprengarbeit das Gros der Arbeit? Exp. Geißler: Ja.

Dr. Schiff: Dann gibt es also Arbeiterinnen, die bereits nach einem halben oder drei Vierteljahren ihre Ausbildung vollendet haben, da sie ja ohnehin außer der Sprengarbeit nichts erlernen. Exp. Geißler: Wollte man die Mädchen nur ein halbes oder drei Vierteljahre unterweisen, so müßte man ihnen die Möglichkeit abschneiden, sich auch in den anderen Fächern auszubilden. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Wenn es noth­wendig ist, wird bei uns auch bei Nacht gearbeitet, namentlich im Sommer. Bei pressanten Arbeiten kann das zu jeder Jahreszeit vorkommen. Unlängst hatten wir die Taufdecke für den rumänischen Prinzen zu machen. Diese Arbeit mußte in drei Tagen fertig sein. Da haben vier Mädchen bis 3 Uhr Früh gearbeitet, dann wurde ihnen in der Werkstätte ein Bett auf­geschlagen, und in der Früh haben sie wieder angefangen. Aufrichtig weiß ich nicht, wann sie wieder begonnen haben, weil sie früher aufgestanden sind als ich. Sie sagten, daß sie um 4 oder 5 Uhr bereits angefangen hätten. Während der Nachtarbeit haben sie natürlich Pausen zum Essen, denn sie können ja beim Essen nicht im Arbeitslocal bleiben, weil sie sonst Flecken machen würden. Unsere Arbeitszeit ist im Winter manchmal kürzer, weil gewisse Arbeiten nur bei Tageslicht gemacht werden können. Dafür kommen die Mädchen im Sommer in der Früh schon um 7 oder 'Z8 Uhr, das gleicht sich also aus. Wir haben vierzehntägige Kündigung. Zu Mittag wird einer der beiden Ausgänge, welche das Local hat, gesperrt, der andere Ausgang, welcher in meine Wohnung führt, bleibt offen, da einige der Mädchen bei mir die Mittagskost haben. Die Uebrigen gehen nach Hause. Es kommt nicht vor, daß die Mädchen zu Mittag im Local bleiben; es wäre ihnen unbenommen, es zu thun. Die Arbeiterinnen stehen alle im Wochenlohn. Vier Mädchen haben außerdem noch die Mittagskost und alle die Jause. Das Minimum des Lohnes ist fl. 6. Im Durchschnitt bekommen sie fl. 1 bis 1 40 pro Tag. Von meinen 20 Arbeiterinnen haben etwa vier bis fünf fl. 6, sechs fl. 7'20, die übrigen fl. 8 bis 12, welch letzteren Lohn drei Mädchen haben, nämlich eine Wappenstickerin, die erste Tambourirerin und eine Heimarbeiterin, welche Seidenstickerin ist. Je besser eine Arbeiterin ist, desto mehr Zweige unserer Arbeit hat sie erlernt. Das Schwierigste ist die Wappen­arbeit, die am besten gezahlt wird, und auch die feine Seidenstickerei, die Nadel­malerei u. s. w. Die Mädchen haben keine Ausgaben für das Material zu machen. Die Heimarbeiterinnen müssen blos einen Minimalbetrag für Nadeln selbst beisteuern. Die Ueberstunden werden bei mir mit 15 kr. pro Stunde bezahlt. Wenn Eine mehr als fl. U50 Taglohn hat, so bekommt sie für die Ueberstunden mehr als 15 kr. Ueberdies bekommen die Mädchen, wenn sie bis 9 oder V 2 IO Uhr arbeiten, ein einfaches Nachtmahl, bestehend aus Butterbrot, Wurst und einem Krügel Bier, das ich ihnen natürlich umsonst beistelle. Arbeiten sie noch länger, so gebe ich ihnen auch schwarzen Kaffee oder Thee. Es wird von den Mädchen sehr viel Arbeit verdorben, aber ich weiß mich nicht zu entsinnen, daß ich auch nur einmal dafür etwas abgezogen hätte. Man droht ihnen freilich mit dem Abzüge, aber sie bekommen doch bei der Auszahlung den vollen Lohn. Abzüge für das Zuspätkommen er­folgen nur dann, wenn eine Arbeiterin sich um eine halbe oder eine Stunde verspätet, wofür ihr diese Zeit abgezogen wird. Die Heimarbeiterinnen werden gleichfalls pro Tag bezahlt. Man weiß eben, wie viel Arbeit an einem Tage geleistet werden kann. Wenn Eine zum Beispiel ein Buchstaben­band bekommt, so weiß man, so und so viel Buchstaben kaun man in einem Tage machen, und so und so viel Material wird dazu gebraucht, und