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Baronin Vogelfang: Wird Ihnen von Zuchthäusern in Bezug auf untergeordnete Ärbeiten keine Concnrrenz gemacht? Exp. Geißler: Die Brieftaschen u. dergl. kommen aus Deutschland, und zwar meist aus Zuchthäusern. Das hat aber für uns keinen besonderen Einfluß.

Wittelshöfer: Sie haben früher erwähnt, daß in den Stickerei­schulen nicht die nöthige Ausbildung für Ihr Fach geboten wird. Wie kommt es dann, daß die Bach'sche Schule Ihnen Concnrrenz macht? Exp. Geißler: Da kann ich Ihnen ein Beispiel anführen. Das Banner sür's Künstlerhaus sollte von der Bach'schen Schule gemacht werden. Da wurde nun die Goldarbeit von einem Goldsticker gemacht, die Seiden­stickerei wurde von einer Seidenstickerin in Hernals ausgeführt, die für st. l täglich arbeitet und die für mich arbeiten wollte, die ich aber nicht brauchen konnte. Die Schule läßt also die Arbeiten durch andere Leute ausführen.

Wittelshöfer: Sind denn die Klöster, wenn sie mit Musterkoffern ihre Waare zum Verkauf anbieten, nicht steuerpflichtig? Exp. Geißler: So oft ich das frage, bekomme ich keine Antwort. Ich habe einmal einen Artikel darüber geschrieben und bin damit zu einer allerersten Zeitung gegangen. Dort sagte man mir:Was in Ihrem Artikel steht, ist ganz richtig, wir können denselben aber nicht aufnehmen, weil wir principiell für die Gewerbesreiheit sind." Daß mir ein antisemitisches Blatt einen derartigen Artikel auch nicht nehmen würde, liegt auf der Hand. Auch die Genossenschaft will in dieser Beziehung nichts thun, weil die Klöster immer Materialien brauchen und ihre Kunden sind. Auch die Kaufleute thun nichts dagegen, weil die Klöster dort Stoffe kaufen. Uebrigens erinnere ich mich, in einer alten Chronik gelesen zu haben, daß schon vor 400 Jahren die zünftigen Sticker den Kaiser gebeten haben, er möge etwas gegen die Concnrrenz der Klöster thun. (lieber Befragen des Vorsitzenden.) Die Mädchen, welche ich beschäftige, sind alle aus Wien, nur eine aus Linz. In besseren Geschäften sind die Verhältnisse wie bei mir, vielleicht mit der Ausnahme, daß, wo mehr fabriksmäßiger Betrieb ist, ein viel zahlreicheres Personale beschäftigt und strenge Disciplin eingeführt ist. Es gibt aber auch schlechtere Geschäfte, wo die Arbeiterinnen weniger verdienen, zum Beispiel die Schuh- und Fächerstickerinnen. Das ist allerdings nur sogenannte Gfchnasarbeit, die ist aber so billig, daß man sich gar nicht denken kann, wie eine Stickerin sich ihr Brot dabei verdienen kann. Ich glaube, daß sich Eine in zehnstündiger Arbeitszeit 60 bis 70 kr. verdient.

Dr. Schüller: Es ist mir bekannt, daß gewisse Gewerbetreibende an­gefangene Stickereien liefern, welche dann von den Käufern zum Vergnügen fertiggestellt werden. Exp. Geißler: Diese Geschäfte gehören merkwürdigerweise nicht zur Genossenschaft der Posamcntirer, wiewohl sie. eigentlich dieselbe Arbeit liefern wie wir. Es ist überhaupt eigenthümlich, daß die Stickereien in zwei Genossenschaften eingetheilt sind, theils zu den Posamentirern, theils zu den Pfaidlern. Das Eintheilungsprincip soll das sein, daß die Goldsticker zu den Posamentirern, die Seidensticker zu den Pfaidlern gehören. Es herrscht das Bestreben, eine eigene, freie Genossenschaft der Sticker zu gründen, aber es ist noch nicht dazu gekommen.

Herrdegen: Machen nicht auch die Posamentirer Stickereiarbeiten? Exp. Geißler: Ja, aber nicht selbst, sondern lassen, wenn sie Stickerei­arbeit brauchen, sie bei uns verfertigen. Ich mache zum Beispiel für eine der ersten Firmen die Anker, welche aus den Epauletten der Marine-Uniformen sind.

Vorsitzender: Sind Ihnen die Arbeitsverhältnisse bei jenen Stickereien bekannt, welche in der Psaidlergenossenschaft sind? Experte Geißler: Nein.

(Abg. Marchet übernimmt den Vorsitz.)