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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Vorsitzender: Haben Sie eine Saison? Exp. Fischer: Nein. Entlassen wird Keine.

Vorsitzender: Welchen Artikel erzeugen Sie vorzugsweise? Exp. Fischer: Alle Baumwollsutterstoffe besseren Genres.

Vorsitzender: Es werden also auch die Verhältnisse besser sein als dort, wo schlechte Waare erzeugt wird? Exp. Fischer: Das weiß ich nicht. Ich kenne die Lohnverhältnisse nicht.

Vorsitzender: Ueberhaupt, sowohl die Lohn- als auch die sanitären Verhältnisse? Exp. Fischer: Die sanitären Verhältnisse sind bei uns gut, da die Fabrik sehr modern eingerichtet ist.

Vorsitzender: In welchem Jahre haben Sie die Fabrik ein­gerichtet? Exp. Fischer: Die neue ist im Jahre 1892 erbaut.

Vorsitzender: Motorenbetrieb haben Sie? Exp. Fischer: Eine Dampfmaschine.

Vorsitzender: Aus welchen Kreisen recrutiren sich die Arbeite­rinnen? Exp. Fischer: Nur aus Arbeiterkreisen. Zumeist sind es die Töchter der älteren Arbeiter.

Vorsitzender: Müssen die Mädchen unterwiesen werden? Exp. Fischer: Beim Legen und Adjustiren müssen sie ein paar Tage zu­schauen. Die Hauptsache ist, daß sie exact sind.

Vorsitzender: Wie werden sie gezahlt? Exp. Fischer: Ganz gleich. Sie bekommen fl. 4-80.

Vorsitzender: Haben Sie eine Arbeitsvermittlung? Experte Fischer: Nein. Gewöhnlich sind ein paar Mädchen, Verwandte von Arbeitern oder Arbeiterinnen, vorgemerkt. Die werden dann aufgenommen. Wir haben eine Tafel aufgesteckt: Heute werden keine Arbeiter ausgenommen. Bei uns findet kein Wechsel statt. Es kann höchstens vorkommen, daß eine Person, die einmal wegbleibt, ersetzt werden muß.

Vorsitzender: Die Arbeiterinnen sind also zumeist schon längere Zeit bei Ihnen? Exp. Fischer: 10, 15 und 20 Jahre. Wir haben fünf, sechs oder acht mit 20 Jahren, ebensoviel, die 15 Jahre da sind und 10 Jahre. Ich weiß mich nicht zu erinnern, daß eine weggegangen ist.

Vorsitzer: der: Wie ist die Arbeitszeit? Exp. Fischer: Wir haben seit ungefähr drei Jahren zehn Stunden, von 7 bis 12 Uhr und von 1 bis 6 Uhr.

Vorsitzender: Haben Sie Ueberstunden? Exp. Fischer: Nur wenn viel zu thun ist, wird von 6 bis 7 Uhr noch gearbeitet. Nacht­arbeit haben wir nicht. Auch Hausarbeiten gibt es nicht.

Vorsitzender: Und Pausen? Exp. Fischer: Haben wir nicht. Früher bei der elsstündigen Arbeitszeit haben wir sie gehabt. Da sind die Leute gekommen und haben gesagt, sie verzichten auf die Jausen- zeit. Früher war in unserem Gewerbe eine ll'Zstündige Arbeitszeit ein­geführt, nämlich elf Stunden factische Arbeitszeit und je eine Viertelstunde Frühstücks- und Jausenpause. Die Leute wollten nun eine zehnstündige Arbeits­zeit, und ich habe gesagt, wir wollen's versuchen, wenn's geht, werden wir es durchführen. In den ersten Wochen und Monaten ist es recht gut ge­gangen. Sie haben in zehn Stunden factisch so viel fertiggebracht wie in elf Stunden. Später hat es nun wieder eingerissen, daß sich die Leute etwas holen ließen, und wenn man gesagt hat, sie wissen doch, daß das nicht erlaubt ist, so haben sie geantwortet, mein Gott, bei der Hitze muß man auch etwas trinken. Die Sache hat sich nun so eingerichtet, daß sich die Leute ihr Essen kommen lassen, ohne daß sie eigentliche Pausen machen, und ich gestatte es ihnen.

Vorsitzender: Haben Sie Kündigung? Exp. Fischer: Nein. Aber ich kann versichern, daß Niemand weggegangen ist und wir haben auch Niemanden weggegeben.