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darauf naher eingehen und auch eine Frage, die früher berührt wurde, ein­gehend beantworten. Die Gagen des Theaters an der Wien beim weiblichen Personal differiren zwischen fl. 30 und 43, es gibt aber einige Damen, von denen wir eben sprachen, die, damit das Kind einen Namen hat, fl. 10 Gage bekommen, manche vielleicht auch gar nichts. Diese Damen nennt man im TheaterjargonLuxusdamen"; ich weiß nicht, ob, weil sie Luxus treiben oder weil sie ein Luxus sind. Im Theater in der Josefstadt sind fünf Damen mit fl. 45, die meisten haben fl. 20, 15 und 10. Im Carltheater ist das Verhältnis besser. Die Gagen variiren zwischen fl. 15, 20 und 45, geringere sind mir nicht bekannt.

Dr. Rauchberg: Sind das auch Solistinnen? Exp. Niedt: Diese nennt man, um ihnen einen besonderen Vorzug zu geben, Solodamen. Sie bekommen manchmal zwei Worte zu sprechen und dünken sich vornehmer, als die Damen des Chors. Dies sind gewöhnlich Damen, die viel äußere Vorzüge haben und sich durch Toiletten hervorthun. Die haben gewöhnlich kleine Gagen. Es ist ein Unterschied zu machen zwischen den Damen der soge­nannten Operettentheater und den Chordamen der anderen Theater. Während die Damen der anderen Theater außerordentlich mit Proben belastet werden, sind die Damen z. B. im Raimund^ und Volkstheater nicht so sehr belastet, weil man da keine großen Anforderungen an ihre gesangliche Kunst zu stellen hat, so daß nicht so viel Proben nothwendig sind. Die können sich irgend ein anständiges Nebeneinkommen verschaffen. Im Deutschen Volks­theater gibt man ganzjährige Gagen von fl. 350 bis 600. Die Leute sind für das ganze Jahr engagirt, auch wenn das Theater geschlossen ist, und gehören eigentlich zu den Bevorzugten, weil sie im Stande sind, sich einen geregelten Nebenverdienst zu verschaffen. Beim Raimundtheater ist es analog, nur besteht hier eine eigenthümliche Einrichtung, welche wohl nicht zum Segen ausgeschlagen hat. Das ist die sogenannte Elevinnenschule. Der Director wollte junge Talente heranbilden, indem er ihnen in seinem Theater Lehrer hielt, sie an die Lampen gewöhnte, sie als Statisten auf die Bühne brachte und ihnen je nach dem Talent Rollen anvertraute. Diese Elevinnen hatten fl. 10 Gage. Nun wäre dies sehr richtig, wenn der Director dabei vorsichtiger gewesen wäre und sich von den Eltern der Elevinnen die Garantie hätte geben lassen, daß sie ihre Töchter unterstützen, damit die nicht ge­zwungen seien, sich auf irgend einem anderen Wege mehr als die fl. 10 Gage zu verschaffen. Das hat der Director aber verabsäumt, und das ist ein großer Uebelstand für das Theater und auch für Jene, die als Mädchen sich herumtreiben mußten und heute einen verhältnismäßig großen Theil des Proletariates bilden.

Experte 4: Ich war in einem hiesigen kleinen Theater beschäftigt. Dort sind 3«i Chor- und Balletdamen engagirt. Es besteht ein Unterschied zwischen Chordamen und Chordamen. Eine Chordame im richtigen Sinn ist eine solche, welche Stimme und ein Repertoire hat, u. s. w. Solche sind am Theater vier. Die müssen den Chor halten; die anderen werden zur Ausstattung genommen, oder, wie sich der Secretär auszudrücken beliebt, damit die Logen gefüllt werden. Zehn Damen sind ganz ohne Gage, aber Strafe müssen sie zahlen, widrigens werden sie hinausgeschmissen; die müssen sich eine Würzen suchen, und Sie können sich von der Verkommenheit der Leute einen Begriff machen, wenn ich Ihnen sage, daß die Theater­arbeiter ganz ruhig nach der Vorstellung Hinausrufen:Fräulein, schauen S', daß Sie sich abschminken, die Würzen wartet schon unten." Ein solcher Ton wird vom Director und vom Secretär ruhig geduldet. Wenn man sich darüber aufhält, so kann man nurgeliefert" werden, da der Director Ver­träge mit dnrcbgehends 14 Tagen Kündigung hat. Außerdem sind dort furchtbare Strafgelder; für zwei Minuten Zuspätkommen fl. 1, für 3 Minuten fl. 1'50. Das steht in der Hausordnung. Bei jedem Theater gibt es söge-