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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Herrdegen: Möchten Sie nns die Stücklöhne nennen, die Sie an die Zwischenmeister zahlen? Exp. Richter: Für das Äragennähen haben wir den Einheitssatz von 26 kr.

Herrdegen: Was zahlen Sie für dieselbe Gattung im Hause an Akkordlohn? Exp. Richter: Im Hause werden bei uns sehr wenig Kragen und Manschetten genäht, das sind gewöhnlich nurMnstersachen. Im Hanse sind in der Knopslochnäherei 27, in der Hemdennäherei und Vor- richterei 20, in der Kragennäherei 32, in der Hemdenknopflochnäherei 4, in der Manschettenbügelei 9, in der Trockenkammer 1, in der Ausstreiferei 41, in der Sortirerei 20, in der Putzerei 36, in der Kragenbüglerei 14 weib­liche Kräfte beschäftigt. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Die Mehrzahl der bei uns beschäftigten Frauen ist ledig. Die Arbeiterinnen stehen im Alter von 20 bis 36. höchstens 40 Jahren. Mit Ausnahme der Wäscherei haben wir überall Dampfbetrieb. Alle Hilfsstoffe werden von der Fabrik beigestellt. Die Leute, die bei uns im Hause beschäftigt sind, nehmen auch Arbeit mit nach Hause, insbesondere in der Miederstickerei nnd Adjnstirerei, es ist dies aber ein unbedeutendes Quantum. Wir haben nur für das Zuspätkommen Strafen eingeführt, nm in der Fabrik eine gewisse Ordnung walten zu lassen. Von fünf Minuten Zuspätkommen sehen wir ab, wer aber um zehn Minuten zu spät kommt, muß 10 kr. zahlen. Diese Beträge werden an die allgemeine Krankenkasse abgeführt. Wir hatten ursprünglich mit den Strafgeldern Nothleidende in unserer Fabrik unterstützt, es wurde uns jedoch von Seite des Gewerbe-Jnspectorats aufgetragen, dieses Geld, das sich auf fl. 50 belüuft, an die Krankenkasse abzuführen, so daß daran auch fremde Arbeiter Participiren. Wir zahlen 30 Percent der Krankengeldbeiträge für die Arbeiter. An Feiertagen wird, wenn viele Aufträge einlaufen, gearbeitet, und zwar von 7 bis 12 und von 1 bis 5 Uhr, also nur neun Stunden. Dafür bekommen die Accordleute ebensoviel als sie sich nach ihrem Arbeits- quantum verdienen, die Wochenleute bekommen den vollen Taglohn. Wenn aber Einer an einem Feiertage ausbleibt und sich vorher entschuldigt, so haben wir nichts dagegen. Sonntag wird absolut nicht gearbeitet. Wir haben folgende Pansen: Um ö Uhr eine Viertelstunde, dann eine Mittags­pause von 12 bis 1 Uhr und Nachmittags wieder eine Pause von einer Viertelstunde. Ueberstunden werden separat bezahlt. Sie kommen nicht häufig vor, gewöhnlich zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten, und wir holen die behördliche Bewilligung ein. Bei uns besteht keine Kündigungsfrist. Wir haben ein eigenes, vier Stock hohes Fabriksgebäude.

Vorsitzender: Sie haben von Unglücksfällen gesprochen. Kommen die häufig vor? Exp. Richter: Wir haben bisher im Ganzen drei Unglückssälle gehabt in den 26 Jahren, seit wir bestehen. Diese sind aber größtenteils auf eigene Unachtfamkeit zurückzuführen. Sie sind dadurch entstanden, daß die Leute zu Maschinen gegangen sind, bei denen sie nichts zu thun hatten.

Dr. Verkauf: Waren das leichte Unglücksfälle? Exp. Richter: Ein Fall war mit tödtlichem Ausgang. Da war die betreffende Arbeiterin selbst schuld. Sie hat bei der Maschine nie etwas zu thun gehabt. Sie war in der Sortirerei und ist um 6 Uhr eigenmächtig hinübergegangen, um sich ein Tuch auszuwinden und dabei ist sie in die Wringmaschine gekommen. Die Maschine ist fortwährend im Betrieb. Es sind jedoch die nöthigen Schutzvorrichtungen angebracht.

Dr. Verkauf: Wenn sie mit dem Arm hineingerathen kann, dann ist die Schutzvorrichtung nicht gut. Exp. Richter: Bei der Wring­maschine gibt es keinen derart absoluten Schutz, so daß unberufene Personen nicht beschädigt werden können. Man müßte höchstens die Thür ab­sperren.

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