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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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sind keine Bestimmungen in der Fabriksordnnng, das bestimmt der Chef. Das Geld kommt in eine Casse, aus der die kranken Arbeiter Zuschüsse bekommen.

Vorsitzender: Haben Sie in die Casse einen Einblick? Exp. Nr. 177: Ich nicht. Es interessirt mich zwar, aber ich kann mir keinen Einblick verschaffen.

Vorsitzender: Das kommt wohl nicht vor, daß Arbeiterinnen im Geschäft wohnen? Exp. Nr. 177: Nein.

Vorsitzender: Haben Sie männliche Vorgesetzte? Expertin Nr. 177: Ja.

Vorsitzender: Wie ist das Verhältniß? Exp. Nr. 177: Je nachdem der Vorgesetzte ist. Manche Arbeiterinnen beschweren sich. Ich kann mich nicht beklagen.

Vorsitzender: Sind sie oft grob? Exp. Nr. 177: Das kommt häufig vor. Ich bin unter Einem, der milder ist. Auch die Herren von der Fabriksleitung sind oft sehr grob, besonders mit den Leuten in der Schleiferei.

Vorsitzender: Kommt es vor, daß männliche Vorgesetzte gegen­über den Arbeiterinnen sich unanständig benehmen? Exp. Nr. 177: Das nicht.

Vorsitzender: Werden Geschenke an Vorgesetzte gemacht? Exp. Nr. 177: Nein.

Vorsitzender: Wie ist das Arbeitslocäl? Exp. Nr. 177: Es ist im dritten Stock. Es sind drei Zimmer, so groß wie gewöhnliche Wohn­zimmer. In einem Zimmer sind drei, in einem zwei und in einem fünf Personen.

Vorsitzender: Wie geschieht die Reinigung? Exp. Nr. 177: Es sind zwei Reibsrauen da. Am Samstag wird Alles gerieben und geputzt. Gekehrt wird täglich.

Vorsitzender: Wie sind die Aborte? Exp. Nr. 177: Sind auch alle rein.

Vorsitzender: Entwickelt sich bei der Arbeit Staub ? Expertin Nr. 177: Ja, weil mit trockenen Farben, Kremserweiß und Bleiweiß rc. gearbeitet wird.

Vorsitzender: Kommen viele Erkrankungen vor? Expertin Nr. 177: Ich bin noch nicht erkrankt.

Vorsitzender: Wie leben Sie? Exp. Nr. 177: Ich wohne mit meiner Mutter beisammen, die Bedienerin ist. Der Vater lebt nicht mehr. Wir haben Zimmer und Küche und zahlen fl. 11. Die Wohnung ist in Währung. Bettgeher haben wir nicht. Ich habe noch vier Geschwister. Ich bin die Aelteste. Das Jüngste ist sieben Jahre.

Vorsitzer: der: Wie ist Ihre Ernährung ? Exp. Nr. 177: In der Früh Kaffee; zum Gabelfrühstück kommt der Greißler uud bringt Würstel, Butterbrot. Zu Mittag gehe ich nach Hause essen. Da bekomme ich Suppe, Fleisch und Gemüse. Abends Wurst oder dergl. Die Mutter verdient monatlich fl. 10. Von meinem Verdienst gebe ich der Mutter, was mir übrig bleibt. Ich bin in der Krankenversicherung. Ob wir bei der Unfallversicherung sind, weiß ich nicht.

Vorsitzender: Wird Ihnen vorn Lohn etwas abgezogen? Exp. Nr. 177: Wöchentlich 10 kr. Für die Unfallversicherung nichts.

Dr. Schiff: Ist bei Ihnen schon ein Unfall vorgekommen? Exp. Nr. 177: Ich kann mich nicht erinnern.

Vorsitzender: Gehören Sie einer Arbeiterorganisation an? Exp. Nr. 177: Einem Arbeiler-Bildungsverein.

Vorsitzender: Lesen Sie bisweilen? Exp. Nr. 177: Freilich, Bücher.