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Christstollen benutzt worden sei, ihr Mann die gewohnte Zeit nicht habe inne halten können. Ich solle indeß nur ein Viertelstündchen verziehen und im warmen Zimmer vorlieb nehmen, dann könne ich sofort das frische, duftende Gebäck erhalten. Dankend nahm ich das Anerbieten an, aber aus einem Viertelstündchen wurden drei und die Sonne sendete schon ihre letzten Strahlen, als ich aus dem Bäckerhause trat. Ich war freilich über den Verzug etwas ungeduldig geworden und die Bäckersfrau hatte mir in ihrer Herzensgüte zwei mit eisernen Spitzen versehene Stöcke, nach Art unserer Stachelinchen, die das Schlittschuhlaufen noch beschleu­nigen und mich eher heimbringen sollten, mitgegeben. Meine Bretzeln hatte ich wohlverpackt unter den Rock geknöpft, um sie warm zu erhalten und ich flog wieder pfeilschnell dahin, während die Glocken der hinter mir liegenden Stadt das Festgeläut anstimmten. Bald umringten mich auch wieder die riesigen Bäume des Waldes; Erlen, Buchen, Eichen und schöne Weiden, die, da der Mond allgemach aufgegangen war, phantastische, bizarre Formen annahmen. Ich erfreute mich an der wunderbaren Romantik meines Weges und diese Stimmung wurde noch erhöht, als aus einem einsamen Gehöft das alte wendische Lied mir ent­gegen tönte von dem uralten Schlachtfelde, wo viel tausend Wenden begraben liegen und das verdeutscht etwa also lautet:

Viele hundert Jahre gingen Schon vorüber träum'risch sacht, Seit auf bunter Blumenwiese Brauste wild die Wendenschlacht.

All die todten Wenden schlafen Unterm Wiesengrün so still Nun schon viele hundert Jahre, Da rauscht's Wasser drüber kühl.

Seit viel tausend kühne Wenden Sich erkämpften frühen Tod Und die Blumen auf der Wiese Von dem Blute glänzten roth.

Schlanke, fange Weiden grünen Aus dem Wasser blüthenreich.

Unten in dem weiten Grabe Schmiegt sich Bein an Bein so bleich.

Und es zucken bang die Schädel,

Die Gebeine zittern leis-

In den Frühlingswassern droben Spielt ein grünes Weidenreis.

Mich umspielten nun freilich keine Frühlingswasser und auch keine Frühlingsweide. Die kalte Winterlust zog eisig, durch meinen beschleu­nigten, immer eilenderen Lauf fast schneidend an mir vorüber. Lange, lange schon lag das einsame Gehöft hinter mir und noch immer war von