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Lübben nichts zu sehen.Bei dem hellen Mondschein," dachte ich,wirst du die Ziffern deiner Taschenuhr wohl lesen können." Sie zeigte auf halb Sieben und ich hätte längst daheim sein müssen. Nun wurde es mir klar, daß ich die Richtung verloren haben müsse und da ich weit und breit keine Spur eines menschlichen Wesens oder einer Wohnung entdeckte, entschloß ich mich umzukehren und hoffte immer noch, wenigstens gegen acht Uhr zur Theestunde der Großeltern einzutreffen. Die Unruhe, in der sie aber wohl schon jetzt um mich waren, peinigte mich und beflügelte meinen Lauf auf's Neue. So eilte ich unaufhaltsam weiter, vorüber an den gespenstisch beleuchteten Bäumen, die mir nach und nach ganz anders erschienen und in ihren oft grotesken Formen höhnend auf mich nieder­blickten. Doch, wie ich auch lief, weder Stadt noch Dorf, noch Gehöft zeigte sich meinen Blicken, ein wüthender Hunger, dem die Bretzeln wider­willig zum Opfer fielen und der dadurch nur gesteigert zu werden schien, quälte mich; meine Kräfte ließen nach, mein Lauf wurde langsamer, das Blut floß träger in meinen Adern, eine unendliche Müdigkeit und Gleich- giltigkeit gegen Alles ergriff mich und es zog mich wie mit unsichtbaren Armen an das Ufer auf den harten Erdboden, der mir Ruhe versprach. Wohl sagte ich mir vor, daß diese Ruhe der Tod sei, daß ich noch nichts gethan, nöch nichts geleistet für meine Mitmenschen von Dem, was ich mir in jugendlich begeisterten Träumen vorgesetzt, daß meine geliebten Großeltern einen solchen schweren Kummer kaum überleben würden, aber bleiern schwer zog es mich nieder und da ich vollends eine von Hirten zur Sommerszeit benutzte kleine luftige Hütte gewahrte, taumelte ich auf dieselbe zu, darin niederzusinken, als plötzlich entferntes Hunde­gebell mein Ohr traf. Elektrisch durchzuckte mich der Gedanke an mensch­liche Hilfe, näher kamen die Laute und mein umflortes Auge unterschied bald die Gestalt eines Mannes, der neben einem von Hunden gezogenen Schlitten rüstig daher schritt. Wer wird es mir verargen, wenn der Mann mir erschien wie ein zu meiner Rettung ausgesendeter Engel? Meine erste Frage war die, wie weit es wohl ungefähr noch bis Lübben sei und wie groß war mein Schreck, als ich erfuhr, daß wir uns viel näher an Kalau, von wo der Mann kam, als an Lübben befanden. Es war ein armer Schuhmacher, der noch spät aufgebrochen war und sich seinen geringen Lederbedarf aus Kalau selbst geholt hatte. Schüchtern wagte ich die Bitte an ihn, ob ich mich wohl auf seinen Schlitten setzen und so nach Lübben fahren könne; aber der Mann war klüger als ich.Mit-