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Oheim sagte gleich bei ihrem Eintritt in seinen Familienkreis:Ihr Kinder, Ihr sollt meines Bruders kleine Else rechtschaffen behandeln, Donnerwetter, ich will doch sehen wer mir das Wurm mißhandeln könnte!" Es dachte Niemand daran die kleine Else zu mißhandeln, sie war so still, war so herzig und freundlich und gefällig, kam auch manchmal eine Unart vor, so bat sie bald um Verzeihung.

Anders war das Leben Else's aber doch im Dorfe, der Wald fehlte und auch die täglichen Wege durch den Wald zur Schwester Johanna. Sie war nun sechs Jahre alt und mußte in die Schule gehen. Der Dorf- schullehrer war ganz gut; aber so kindlich konnte er sich nicht mit den Schülern beschäftigen, wie die Schwester Johanna es that. Auf Else hatte Johanna's Art mit den Kindern zu verkehren großen Eindruck gemacht; Johanna war der Säemann gewesen und Else's kleines Herz der gute Boden, da waren denn viele Samenkörner lieblich aufgegangen und hatten tief Wurzel gefaßt. Das konnte man sich nun wohl denken, daß so ein­gewurzelte gute Zucht für's Leben Stich halten würde, hatte doch Johanna fast drei Jahre mit der kleinen Else verkehrt, und Vater und Mutter hatten wenigstens nichts dawider gethan, in ihrer Art sogar die guten Lehren Johanna's pflegen helfen und kein böses Beispiel gegeben, das sie hätte zerstören können. Bei dem Oheim war das anders; der war ein heftiger Mann, welcher sich oft zornig akstobte; seine Frau war krank, aber das Zanken verstand sie auch. Die Kinder rauften und prügelten sich, schimpften sich untereinander, schimpften über Eltern und Lehrer. Eigentlich waren die Kinder nicht böse, nur ungezogen, schrankenlos auf­gewachsen. Else empfing schlechte Beispiele und schlechte Beispiele ver­derben gute Sitten. Sprichwörter beruhen auf Erfahrung; aber keine Regel ist ohne Ausnahme, hier war eine Ausnahme, denn der unartigen Bauerkinder böse Beispiele verdarben Else's gute Sitten nicht und das kam daher, weil Else's Gehorsam, ihr artiges Wesen nicht oberflächlich lag, daß es jeder Wind hätte wegwehen können. Johanna hatte ihr bei jeder Belehrung gesagt: Alles Gute kommt von Gott, auch die Gebote und Gott will, daß der Mensch, ja auch schon das kleinste Kind seinen Geboten gehorsam sei. Der liebe Heiland war auch gehorsam seinem Vater und hat allen Menschen, also auch den Kindern damit ein Beispiel gegeben. Else war artig, weil sie dachte, mit der Unart thue sie dem Heiland weh, denn er der göttliche Kinderfreund wünschte doch, daß sein Beispiel befolgt werde; Else mochte keinem Würmchen weh thun, wie viel