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Sie war das einzige künstlerisch schöne Gebäude, das die Malerin erblickte, die Häuser des Dorfes zeigten sich, wenn auch äußerst reinlich, doch ziemlich nüchtern mit ihren weißen Kalkwänden und den roth und schwarz angestrichenen Balken, die sie zusammenhielten.

Also hier war es!" flüsterte die sanfte Jungfrau, indem sie sich weit aus dem Wagen lehnte und wie mit dürstenden Blicken alle sich ihr zei­genden Punkte der ländlichen Landschaft überflog.Dort zwischen den kleinen, niedrigen Hütten schlug Dein großes, weltumfassendes Herz zum Erstenmal dem Leben entgegen. Du meine theure, verklärte Elisabeth!"

Dort in der grünen Wiese hast Du Dir, ein fröhliches Kind, Blumen gesucht und Fischchen gefangen in den klaren lustigen Bächen, die sie so frisch durchströmen. Auf jenem Berge bist Du keck wie ein Reh auf den malerischen Felsen geklettert, durch die grünen Waldespfade sprengtest Du, eine jungfräuliche Amazone, auf dem braunen Roß des Vaters und die lockigen Haare flogen Dir frei im Winde um das klare, geistvolle Gesicht, wie die Gedanken Deiner hochherzigen Seele in die blaue, dämmernde Ferne. Und dort in dem kleinen Dorfe bist Du gleich einer jungen, heiligen Elisabeth in den Hütten der Armen umhergegangen, die Gaben der edlen Mutter vertheilen^», und jedem Herzen Freude bringend mit dem Blick voll Liebe und Güte, dem freundlichen Wort, das so warm über Deine frischen Lippen drang und stets den rechten Klang traf für die Traurigen, wie für die Frohen. O wie grüß' ich so recht aus Herzens­grund die Heimath, wo Du Aller Liebling warst und wo Deine frische Jugend wie ein glänzendes Traumbild vorüberzog."

So suchte die Umherschauende auf allen Pfaden das Bild der ge­liebten Freundin, die dort in dem anmuthigen Thal ihre Kindheit und Jugend verlebte, lange vorher ehe sie selbst sie hatte kennen gelernt und über alles lieb gewonnen.

Die beiden Frauen, Elisabeth und Mercedes, waren sich erst in der vollen Lebensentwicklung begegnet; aber um so fester war das Band, das ihre Herzen umschlang, die ein Ziel hatten in der Begeisterung für alles Schöne und Gute, in dem entschiedenen Abwenden von allem Nie­drigen und Gemeinen. Beide dienten der Kunst mit gleicher Wärme, wenn auch auf verschiedenen Gebieten und von verschiedenen Einflüssen geleitet. Elisabeth war eine ernste, beliebte Schriftstellerin, die aber ihre Studien in den einfachsten Lebensverhältnissen gemacht. Ihre Schule