109

hab' ich noch gar nicht gewußt, das ist ganz anders als ich es mir gedacht habe."

Die erste Täuschung, welche Mercedes erfuhr, war, daß sie es sich zu leicht gedacht hatte ein Atelier hier zu finden. Sie hatte vielleicht in der großen Künstlerstadt gar nicht einmal daran gedacht, daß es Orte in der Welt geben könne, wo man keinen Raum und kein Licht zum Malen fände.

Sie ging und suchte in allen Häusern. Es wurde ihr auch bereit­willig sogardie beste Stube" geöffnet und besonders hörte sie oft sagen: hier scheint die Morgensonne gleich herein und es ist fast den ganzen Tag hell und wann."

Mercedes bekam einen förmlichen Schrecken von all der Morgensonne, die ihr präsentirt wurde, und die sie, so innig sie auch sonst den herr­lichen Gottesstrahl liebte, doch beim Malen nicht brauchen konnte. Da­gegen machten die Hausbewohner immer ein ganz verdutztes Gesicht, wenn sie nach einem Zimmer mit Nordlicht fragte.

Nordlicht! hat man jemals so Etwas erfahren! die wird schön frieren mit ihrem Nordlicht, wenn einmal der Winter kommt!" Es fehlte keineswegs an diesem Licht, aber dann starrte der Suchenden zugleich aus dem Fenster ein dunkler Berg entgegen, oder ein Haus, eine Scheune, welche wieder jedes Licht, das sie auf ihrer Staffelei gebrauchte, verscheuchte.

Die guten Dorfbewohner waren fast beleidigt, daß ihre Häuser, die ihnen so ausgezeichnet vorkamen, nicht einmal Licht und Raum fürso eine Malerin" haben sollten.

Mußten sie doch ganz andere wichtige Dinge darin verrichten, bei wel­chen sie weder nach Nordlicht, noch nach Morgensonue fragen durften, war doch die Malerkunst nur eine niedliche Spielerei in ihren Augen. Freilich als sie von Frau Bergheim hörten, wie viel Geld die Künstlerin mit ihren Bildern verdienen könne, sahen sie schon mit viel mehr Respekt auf ihre Bestrebungen. Begreifen konnten sie es zwar nicht, daß man so viel Geld blos für Bilder ausgeben könne, aber sie fanden es doch natürlich, daß sich deshalb so manche Leute verleiten ließen den ganzen, lieben langen Tag nichts zu thun als nutzlose Bilder zu malen.

Es war ein schmerzliches Gefühl, mit welchem Mercedes in dieser ersten Zeit ihrer hiesigen Thätigkeit schon gestehen mußte:Hier hat kein Mensch einen klaren Begriff von deiner Kunst, kein richtiges Urtheil