111

rosiges Kind wiegte, hier ein brauner Mann, der dem kleinen Liebling ein Spielzeug schnitzte zur fröhlichen Ueberraschung beim Erwachen, da sah man blühende H o llund erb lisch e zu den kleinen Fensterlein grüßend herein nicken, schäumende Mühlbäche sich über das Rad stürzen im lau­schigen Waldesgrund, wo der braune Hirtenbub sein Mittagsschläfchen hielt, oder auch mit kräftigem Peitschenknall die fröhliche Heerde zusammen­trieb. Manches Auge erkannte hier, wie die Kunst des Malens auch über die einfachsten Begebenheiten des Lebens einen lieblichen, poetischen Glanz auszugießen vermöge. Es war als ob sie sagen wollte:Sieh! wie lieb und traut und friedlich ist die kleine Welt, in der du lebst, erkenne es dankbar an und sorge, daß sie so freundlich bleibt als der Maler sie gesehen mit seinem hellen Auge und mit seinem treuen Pinsel dargestellt," es war wie in einem Spiegel zu sehen, aus welchem Einem das eigne Leben wie ein lächelndes, glückliches Kind entgegen schaute.

In der That hatte schon die Einrichtung der stillen Künstlerwerkstätte einen kleinen Sieg in den Herzen der Landbewohner errungen. Wenn auch alles darin noch zu skizzenhaft aussah, um von dilettantenhaften Zuschauern recht begriffen und gewürdigt zu werden, so fing man doch bereits an im Dorf von dem Atelier der Malerin wie von einem begin­nenden Märchen zu erzählen.

Ein Gegenstand besonders war es, dessen rätselhafter Enthüllung man mit gespannter Neugierde entgegen sah: der lange, geheimnißvolle Kasten, der noch immer verschlossen im Vorzimmer des Ateliers stand, und von der Aufwärterin, Frau Kathrin, jeden Morgen, wenn sie ihre Geschäfte darin zu verrichten hatte, mit scheu forschenden Blicken angesehen wurde.

Aber eines Tages kam sie mit hochgeröthetem Gesicht zu ihren Be­kannten und rief:Nun weiß ich endlich was in dem Kasten steckt! Hört zu! das war ein Schreck! Wie ich da so mit meinem Kohleneimer durch die Vorderstube geh', um Feuer im Atelier anzumachen, da seh' ich den Deckel von dem Kasten auf dem Boden liegen und über den Kasten selber war ein weißes, langes Betttuch gebreitet, gerade wie man's über eine Leiche thut und man sah es auch ganz deutlich durch die Falten: da lag eine lange, steife Menschengestalt darunter. Ich kann Euch sagen, ich war ganz starr vor Schreck und zitterte an allen Gliedern. Was mag das nur sein?! ob wirklich ein todter Mensch da liegt? Ich hab' schon erzählen hören, daß man Menschen nach dem Tode wie