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heißt es doch nur wieder! ja! ich glaub': einbalsamirt, so daß sie gar nicht verwesen können, und nun dacht' ich, ob das Fräulein es nicht so gemacht hätte mit Jemandem, der ihr sehr lieb gewesen! Die Haare standen mir zu Berg vor Schauder; aber ich konnte doch nicht vorbeigehen und mußte wieder und immer wieder auf das Ding sehen. Ei! dacht' ich endlich, warum hebst du das Tuch nicht auf? dann weißt Du ja auf ein­mal was darunter steckt! Ich faßte mir ein Herz und trat dicht vor den Kasten; aber die Knie singen mir wieder an zu zittern und ich dachte wieder: nein! du willst keine Eva sein, unser ganzes Elend ist ja aus der leidigen Neugierde hervorgegangen. Ich will eine rechtschaffene Frau bleiben ich thu' es nicht! Nur ein klein Bischen hier unten am End' will ich das Tuch aufheben und dann gleich wieder fallen lassen, das schadet doch keinem Menschen was. Und seht! wie ich das gethan hatte, da sah ich wirklich einen Fuß, einen ganz ordentlichen Menschenfuß mit weißem Strumpf da liegen! Ach Gott! wenn man einmal A gesagt hat, muß man auch B sagen. Ich dachte: nun hilft dir nichts mehr nun mußt du weiter gehen und sehen was mit dem Fuß zusammen­hängt. Auf einmal hatt' ich, ohne recht zu wissen wie es kam, das ganze Tuch abgerissen, aber da fuhr ich Euch doch vor Schreck zurück, als hätt' mich ein Blitz getroffen. Ich sah eine ganz große, ordentliche Frauens­person vor mir liegen, sie hatte ein hübsch weißes und rothes Gesicht, gerad' wie lebendig, aber die Augen die Augen! hu! die sahen mich so starr und streng an, als wollten sie mich strafen für meine Neugierde. Und wie ich noch so stand und nicht fortkommen konnte, da kommt mir auf einmal die Fräulein Malerin herein und fängt laut zu lachen an, wie sie mich da so versteinert vor dem Kasten stehen sieht.Nun Kathrin! was habt Ihr denn?" fragt sie,Ihr seht ja ganz blaß und verstört aus!"Ach Fräulein!" sagt' ich,das Ding da! Was bedeutet denn das? was machen Sie denn mit dem Gespenst? Nehmen Sie doch ja nicht übel, daß ich so neugierig war und hab' das Tuch auf­gehoben."Warum nicht gar?" sagte die gute Seel',ich wollt' Euch ohnedies bitten mir die Figur ins Atelier tragen zu helfen. Es ist ja nur eine Gliederpuppe, nach der ich die Kleider male, wenn ich gerad' keine lebendigen Modelle habe, um sie ihnen anzuziehen."

Und nun erklärte mir das Fräulein alles und zeigte mir wie man die Glieder hin und her an der Figur, gerad' wie's nöthig ist, bewegen kann. Nein, was man nicht alles in der Welt machen kann! Und wenn