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man alles, wie es sich gehört, so recht klar auseinander gelegt und erklärt bekommt, dann fürchtet man sich am End' vor keinem Ding in der Welt mehr. Ich half auch ganz couragirt dem Fräulein die Puppe ins Atelier tragen, und denkt Euch! da bekam sie einen ordentlichen Rock und eines der bunten Jäckchen angezogen, und auch eine Schürze band ihr das Fräulein vor und stülpte ihr eine Mütze auf den Kopf. Und nun saß sie ganz majestätisch auf dem Stuhl, gerad' wie ein lebendiger Mensch; aber ich bekam doch wieder die Angst, es hat doch etwas sehr Gru­seliges, wenn man so ein Ding sieht, das einen Menschen vorstellen soll und ist doch keiner. Ich halte auch noch immer die Augen zu, wenn ich durch das Atelier gehen muß und die Person sitzt da und guckt mich an mit ihren starren Augen."

Diese Erzählung der lebhaften Frau Kathrin machte das Märchen des Maler-Ateliers, das sich die Dorfbewohner zusammendichteten, um Vieles lebendiger. Die wunderbare Puppe saß als ein Gespenst darinnen, das Jeder fürchtete und Jeder doch aber so gern betrachtet hätte. Be­sonders war die kleine Welt neugierig geworden, und des Posthalters naseweiser Karl, des Amtmanns kecke Minna und Doktors Emma und Rudolph, welche alle schon gute Bekanntschaft mit der Malerin geschlossen, kamen eines Tages voll Courage in den kleinen Herzen zu ihr und baten sie, ihnen doch die große Puppe zu zeigen, von der Frau Kathrin so viel erzählte.

Gern, Kinderchen!" sagte die freundliche Mercedes,Ihr müßt aber nicht denken, daß-Ihr mit dieser Puppe spielen könnt, dazu ist sie viel zu groß und schwer."

O, wir wollen sie nur besehen!" war die Antwort, die ein ungedul­diges Trampeln der kleinen Füße begleitete.

Mercedes ging voran, schloß das Atelier auf und hieß die Kleinen eintreten. Diese aber hatten kaum einen Schritt in das Zimmer gethan, als ein so herzzerreißender Schrei ertönte, als ob Jemand ermordet würde. Es war die kleine Emma, welcher der Anblick der großen Puppe dieses Geschrei auspreßte, in welches Nudolph einstimmte, theils aus Sympathie für das Schwesterchen, theils aus wirklicher Angst. Auch die beiden andern Kinder standen bleich und wie erstarrt, aber sie hielten sich tapfer und faßten sich nur ein wenig fester bei den Händen.

Die dummen Kinder!" schalt sogar Karl und auch Minna fing einen Verweis an für die Furchtsamen, doch als die erschrockene Mercedes

T.-A. XX. H