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dieselben hinaus begleiten wollte, hielten sie auch die Beiden ängstlich an der Hand zurück und Minna meinte:Unsere Magd steht ja draußen, die kann die Schreihälschen wieder still machen."

Als das Geschrei beseitigt war, stellten sich wirklich die beiden kind­lichen Helden mit entschlossener Miene, wenn auch ein wenig mit den Lippen zitternd, vor die schreckliche Erscheinung hin. Diese erwies sich bei näherer Betrachtung auch gar nicht so schreckenerregend, sie hatte sogar ein ganz freundliches Mädchengesicht und man konnte kaum begreifen, wie sie beim ersten Anblick solche Schauer einflößen konnte, was freilich seinen vollen Grund hatte in der starren Leblosigkeit dieser menschlichen Maschine.

Karl betrachtete sich das Ding von oben und unten mit männlich prüfendem Blick, die kecke Minna trat sogar so nah, daß sie leise, leise mit ihrer Hand die Arme der geheimnißvollen Gestalt berühren konnte, und als dieselbe sich ganz ruhig diese Vertraulichkeit gefallen ließ, tastete sie weiter und rief ihrem Kameraden zu: ,,Faß' mal an! sie ist nur ausgestopft wie unsere Kleinen Puppen auch."

Und Karl faßte an, er war ja ein Junge! nicht wie ein so banges Mädchen, fest und herzhaft faßte er sie an und ging sogar so weit, ihr so tüchtig die Hände zu schütteln, daß Mercedes bitten mußte seinen Heldenmuth zu zügeln, damit er ihre Puppe nicht zerbreche.

Sie mußte nun den Kindern ebenfalls alle Eigenschaften, die Ein­richtung und den Zweck der Gliederpuppe erklären und Beide gingen ganz stolz hinweg, um eine Kenntniß mehr bereichert und mit der Ueber­zeugung, daß sie nicht so leicht in Angst gejagt werden könnten. Auch war es eine große Freude den Gespielen das Erlebniß in dem Maler- Atelier zu erzählen, was nicht ohne Folgen blieb.

Eine ganze Woche lang stand immer eine lange Prozession sämmt­licher Schulkinder des Dorfes vor der Thüre des Hauses und begehrte: die große Puppe zu sehen." Frau Vergheim wollte sie ungeduldig ab­weisen, doch die gutmüthige Mercedes öffnete gefällig die Thüre und ließ ohne Eintrittsgeld das kleine, neugierige Publikum wie zu einer Theatervorstellung herein, indem sie zu seiner und ihrer eignen Belustigung die Puppe in allen möglichen Stellungen sitzen ließ und sie mit ihren hübschesten, buntesten Kleidern ausstaffirte.

Sie erlebte aber wie bei der ersten Scene noch manches Angstgeschrei und mußte mehr wie ein halb ohnmächtiges Geschöpfchen Hinausbringen