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und mit ihrer sanften Stimme zu beschwichtigen suchen. Die Puppe wurde der Probirstein für die starken und schwachen Charaktere der Dorf­jugend. Die Eltern aber schüttelten oft die Köpfe bei den Erzählungen ihrer Kleinen, hier und da gab es sogar ein Verbot die Stube zu betreten, aus welcher solche Aeußerungen hervorkamen und manche Mutter schalt heftig überdie verwunschene Puppe", wenn sie des Nachts im Schlaf gestört wurde durch das Geschrei ihres Kindes, in dessen Traum sie noch herumspukte.

Es giebt ein Sprichwort, das heißt:Was der Mann nicht selber kocht, das ißt er auch nicht." Man kann es leicht über Speise und Trank hinausdehnen und sagen:Was er nicht kennt und begreift, das gefällt ihm auch nicht." Fremdartige Vorstellungen und Bilder, die den gewohnten Kreis seiner Gedanken und Erlebnisse überschreiten, sind ihm unbequem und störend; er umgiebt sie nur zu gern mit dem Uebel des Mißtrauens, oder gar mit dem unheimlichen Bann des Aberglau­bens und des Fanatismus.

4. Aberglaube und seine Folgen.

Mercedes saß in ihrem Atelier und malte ein wunderhübsches, kleines Vauernmädchen, das vor ihr unter der freilich sehr nachsichtigen Aufsicht ihrer jungen Mutter spielte.

Die Künstlerin hatte nach langem Umhersuchen endlich diese beiden Gestalten zu einem Bild gefunden, das sie schon in der Stadt entworfen und angefangen zu malen. Dort war es ihr unter der großen Menge leicht geworden, zu ihren Modellen schöne Menschen zu finden, die, wenn sie auch keine Bauern waren, doch unter den Kleidern, welche sie ihnen umwarf, allenfalls dafür gelten und mit der ihnen angebornen Gewandt­heit sich als solche bewegen konnten.

Sie fand im Ganzen unter den Bewohnern des Dorfes wohl charakter­volle Gestalten, aber es fehlte ihnen meist die Schönheit, die der Künstler so gern als Lichtglanz über seine Bilder breitet. Die harte Arbeit ließ sie früh gebückt einhergehen, die Sorge und die Noth lagen nur zu oft wie ein Druck auf ihrem inneren und äußeren Wesen; der die Freiheit und Anmuth der Bewegungen wie der Gedanken hemmte.

Mercedes betrachtete es daher als einen Glücksfund, als sie auf einem Gang durch das Dorf eines Abends die schöne, junge Mutter mit dem krausen Blondköpfchen auf dem Schooß vor der Thür eines Hauses sitzen

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