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sah. Von dem Gold der untergehenden Sonne umslossen, waren die Beiden ein anmuthiges Bild, eine wahre Erquickung für das Auge der Malerin. Rasch trat sie herzu und nach einem freundlichen Gespräch fand sie sehr bald die Bäuerin bereit, für den guten Tagelohn, den sie bot, ihr das hübsche Töchterlein als Modell zu überlassen und selber mitzukommen, um die Kleine in der fremden Umgebung zu beruhigen und zu unterhalten.

Als sie beim Abendessen ihren Hausgenossen den glücklichen Fund mittheilte, sahen sich dieselben kopfschüttelnd an und der ernsten Bertha entfuhr der Ausruf:O wie schade, daß Sie sich gerad' aus dem Haus die ersten Modelle holen!"

Warum?" fragte Mercedes und Frau Bergheim erklärte den Aus­ruf der Tochter durch die Mittheilung, daß gerade dieses Haus das am wenigsten beliebte im Dorfe wäre.Es sind leichtsinnige Menschen," erzählte sie,Frau und Mann hängen nur am.Aeußerlichen, die Kinder sind schlecht erzogen und Sie, liebes Fräulein, werden Ihre liebe Noth mit ihnen haben ich wette, Sie halten es nicht lange aus mit diesen Modellen!"

Das fürchte ich nicht," antwortete Mercedes,die Beiden, Mutter und Kind, sind so schön, daß ich es kaum erwarten kann sie zu malen, ich verspreche mir große Freude von ihnen."

Die gute Frau Bergheim schaute ein wenig verwundert auf bei dieser Aeußerung; sie mochte im Stillen fragen: wie man Freude haben könne an Menschen, die nur ein schönes Aeußere besitzen. Sie wußte nicht, wie oft der Künstler seine schönen Gedanken und Vorstellungen in Gestalten legen muß, die selber keine haben, die nur schönen, leeren Ge­fäßen gleichen, in welche die Kunst ihren Labetrunk gießt, so daß sie ohne Wissen und Verdienst die Güte des großen Schöpfers, womit er sie so schön und edel gebildet, wirksam und für Andere zum Segen machen.

Mercedes aber erfuhr schon an diesem ersten Morgen, wie richtig die Prophezeiung der Frau Bergheim gewesen. Sie hatte eine große Noth mit dem Kinde, das nicht einen Augenblick still halten wollte und mit Händen und Füßen trampelte, wenn die Mutter sie fest zu halten ver­suchte. Das Naschwerk, das ihr als Besänftigungsmittel in reicher Fülle gespendet wurde, verschlang sie ohne Rührung und Dankbarkeit, und das Püppchen, das ihr Mercedes so zierlich ausgeputzt hatte zum unter­haltenden Spielzeug, zerzauste sie auf die jammervollste Weise.